23. Oktober 2019

Burkina-Faso: Feier zum Tag der Frauen auf dem Land – WILPF feiert mit

Sie stehen auf lange bevor der Hahn kräht. Sie ernähren die Bürger*innen der Welt direkt oder indirekt. Seit 2008 widmen die Vereinten Nationen jedes Jahr am 15. Oktober einen Tag „La femme rurale“ mit dem Ziel der Sensibilisierung für die wirtschaftliche Rolle der Frauen auf dem Land auf lokaler und nationaler Ebene. 

Die Rolle von Frauen in der Gesellschaft ist eine Voraussetzung für den (sozialen) Frieden. Gerade entstehen in Afrika neue WILPF-Sektionen und wir unterstützen das Engagement auch von Deutschland aus mit Solidarität. Wir gratulieren insbesondere der diesjährigen Preisträgerin Constance Kaboré, eine der Mitgründerinnen von WILPF Burkina Faso und Aktivistin für Frauenrechte.

 Zur Person: 

Constance Kaboré war schon als Schülerin am Gymnasium in Ouagadougou/Burkina Faso an einem Austausch mit dem Gymnasium Gauting beteiligt. Daher rührt ein langjähriger Kontakt, der nie abgerissen ist. Als Jurastudentin betätigte sie sich als Autorin und Herausgeberin einer engagierten Jugendzeitschrift an der Uni, die sich vor allem mit der Rolle junger Frauen und Mädchen in Afrika auseinandergesetzt hat. Nach ihrem Studienabschluss hat sie eine Weiterbildung als Finanzfachkraft gemacht, was ihr nun die Möglichkeit gibt, als Controllerin für das Finanzministerium zu arbeiten. 

Ihre ehrenamtliche Tätigkeiten und ihren Aktivismus hat sie nie aufgegeben und engagiert sich mit einem Team junger Menschen besonders für die Belange der Frauen auf dem Land. Die Wahrnehmung der Rechte, Selbstständigkeit von Frauen, ein nachhaltiges Leben und Frieden sind für sie eng verknüpft. Das ist auch der Anknüpfungspunkt für WILPF und vielleicht ein Grund, ihr in den nächsten Jahren den „Anita Augspurgpreis der IFFF an eine Rebellin gegen den Krieg“ zu verleihen.

Constance ist im August 18 mit einer Delegation auf den 1. Ligakongress in Afrika, in Accra/Ghana mitgekommen und hat einen spannenden Bericht für die Kay Camp Foundation geschrieben, die ihre Reise und Teilnahme unterstützt hat. Ein Auszug: „Burkina Faso’s participation in the 32nd triennial congress has been a very enriching experience and will undoubtedly allow the new group to better understand the issues of their commitment to peace and freedom. For me, it was a fabulous experience and I just have to thank WILPF for this opportunity gave to me. The first session focused on „critical analysis and feminist perspectives on the origins of violence“ tackled the impact of colonialism on African cultures and traditional origins. The consequences is that there are some challenges to be faced: education, media, the patriarchal system. Women play a great role in peace, it is therefore the system that must be changed in order to expect better results in the way. Women must have self-esteem in order to fight for their rights. Gender equality means that men and women have the same rights, and women’s empowerment means that women have the leadership and the opportunity to work for success”.

Ich (Heidi Meinzolt) konnte mich im Vorfeld des Kongresses im Sommer 2018 vom Erfolg einer Fortbildung überzeugen, die die jungen Frauen von ALIA[1] in einem Dorf im der Umgebung von Ouagadougou organisiert haben. Dort wurde den Frauen nicht nur beigebracht, wie man flüssige und feste Seife macht, sondern Lektionen über Hygiene und kleine Verkaufsstrategien bereicherten das Treffen. Außerdem gab es juristische Ratschläge zur zivilen Heirat, zu Frauenrechten und Ansprechpartnerinnen im Konfliktfall. Die Frauen waren begeistert, der örtliche „chef de terre“, der traditionelle Dorfvorstand, sehr angetan – weitere Treffen wurden anvisiert – alles nicht einfach zu organisieren und zu finanzieren.

Constance wurde nun – auch mit Empfehlungsschreiben von WILPF Deutschland für den WWSF-Preis 2019[2] für die Kreativität von Frauen im ländlichen Leben ausgewählt. “Das spornt uns natürlich noch mal besonders an”, sagt sie in einer ersten Reaktion gegenüber uns. ALIA organisierte am 12. Oktober 2019 gleich qwieder einen Bewusstseinstag für die Frauen von Somgandé – siehe Bilder. Es geht also weiter.

Zu Afrika:

Afrika bleibt der Kontinent mit der höchsten Wachstumsrate der Welt. Ein Wirtschaftsboom, der heute nicht mehr zu ignorieren ist und an dem die mehr als 410 Millionen Frauen, die auf dem afrikanischen Kontinent leben, trotz der Schwierigkeiten reichlich teilnehmen. Auch wenn auf beiden Seiten des Kontinents erhebliche Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter erzielt wurden, bleiben viele Herausforderungen bestehen. Bildung, Zugang zur Gesundheitsversorgung, politische Repräsentation und Arbeitsbedingungen sind nur einige davon. Trotz der Annahme mehrerer internationaler Übereinkommen und Protokolle, die die Gleichstellung der Geschlechter bekräftigen, behindern Diskriminierung und Vorurteile nach wie vor die Stärkung der Frauen auf dem afrikanischen Kontinent. In den meisten Tätigkeitsbereichen kämpfen Frauen immer noch sehr darum, dass ihre Rechte anerkannt werden.

Im Gesundheitsbereich zum Beispiel sind die Zahlen der Weltbank alarmierend. In Ländern wie Angola, Mosambik, Liberia und Sierra Leone verliert jedes 20. Mädchen bei der Geburt sein Leben. In mehr als 20 Ländern Afrikas leiden Mädchen auch weiterhin unter Genitalverstümmelung. Ebenso stellen Frauen die Mehrheit der 800.000 afrikanischen Opfer von Menschenhandel. Ganz zu schweigen davon, dass es für jeden mit HIV/AIDS infizierten jungen Mann drei junge Mädchen gibt, die das gleiche Schicksal erleiden.

Im Bildungsbereich gibt es zwar Fortschritte, aber noch viel zu tun. Das Verhältnis von Mädchen zu Jungen in der Sekundarstufe hat sich in den letzten 18 Jahren kaum erhöht, von 76 Mädchen pro 100 Jungen auf 79. In der Hochschulbildung kommen nur 68 Mädchen auf 100 Jungen. Zahlen, die zeigen, dass der afrikanische Kontinent als Ganzes selbst bei einer Veränderung darum kämpft, die Gleichstellung der Geschlechter beim Zugang zur Bildung zu erreichen.

Burkina Faso gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, ist aber – noch – durch ein weitgehend friedliches Zusammenleben der Menschen geprägt, das viel auf den revolutionären Einfluss Thomas Sankaras, des charismatischen Präsidenten in den 70 er Jahren und seine Schriften und Reden zurückgeht. 2017 gab es einen Aufstand der Bevölkerung gegen den langjährigen autoritär regierenden Präsidenten, der große Teile der Bevölkerung, unter ihnen viele Frauen und junge Menschen auf die Strasse getrieben hat. Das Parlament, das gerade über ein Mandat auf Lebenszeit Compaorés abstimmen wollte wurde angezündet, die Abgeordneten mussten fliehen und Compaoré wurde von französischem Militär ausgeflogen. Sonst blieb es fast friedlich. Aber die Demokratie steht auf schwachen Füßen. Internationaler Terrorismus und militärische Interventionspolitik der „internationalen Gemeinschaft“ sind eine große Gefahr.

 Dennoch bleibt die Afrikanerin die Personifizierung der Hoffnung. Für den Kontinent ist es nicht nur eine Stärke, sondern auch eine Chance. Die Rate des weiblichen Unternehmertums ist in Afrika höher als in jeder anderen Region der Welt. Es ist auch ein afrikanisches Land, Ruanda, das die höchste Frauenquote im Parlament aufweist. Frauen in ihrem Engagement für die Umsetzung der UNR1325, ihre Stimme bei Friedensverhandlungen, ihr Engagement gegen Killer robots und Waffenlieferungen sind wegweisend.

 Es besteht kein Zweifel: Die Emanzipation der Frauen in Afrika erfordert unbestreitbar die Beseitigung vieler Hindernisse, die es ihnen ermöglichen, nicht nur finanziell, sondern auch intellektuell autonom zu sein. Die afrikanischen Länder müssen nun Lösungen finden, um die geschlechtsspezifischen Unterschiede zu schließen und es so den Frauen zu ermöglichen, in vollem Umfang an der Entwicklung des Kontinents teilzunehmen. EuropäerInnen sind zu Solidarität uns Zusammenarbeit verpflichtet.

Frauen am Land und Ernährungssicherheit

Die Frauen am Land gewährleisten die Ernährungssicherheit für ihre Gemeinden, verbessern die Widerstandsfähigkeit gegen Veränderungen und stärken die Wirtschaft. Geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten, dominierende patriarchale Strukturen, Gesetze und soziale Normen diskriminieren die Frauen; all dies ist kombiniert mit einer sich verändernden Wirtschaft und Handelsstrukturen, neuen Technologien, dramatischen  Umweltveränderungen, unter denen Frauen besonders leiden und sie daran hindern, ihr Potenzial zu entfalten; und so bleiben sie oft weit hinter Männern und ihren städtischen Kollegen zurück. Der Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Frauen: in Südasien und Subsahara-Afrika 60%, im Rest von Asien und Pazifik und Nordafrika 30% / Arabische Staaten 20%; Amerika, Lateinamerika und die Karibik und Osteuropa 10%, übriges Europa und Nordamerika 5%. Die Landwirtschaft bleibt der wichtigste Beschäftigungssektor für Frauen in Entwicklungsländern und ländlichen Gebieten und ist ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung der Frauenbeschäftigung, ein Sektor, der weitgehend Teil der informellen Wirtschaft mit wenig oder gar keinem Sozialschutz und keinen Arbeitsrechten ist. Niedrigerer Lebensstandard, niedrigere Löhne und schlechtere Gesundheit, eingeschränkter Zugang zu Sozialdiensten, steigender Bedarf an sozialer Unterstützung, Mangel an gemeinsamer Stimme und gemeinsamen Aktionen, sind die Folgen. Landrechte: Weniger als 13% der landwirtschaftlichen Landbesitzer sind Frauen. Folgen: Weniger Sicherheit für die Betroffenen, geringeres Einkommen, weniger Entscheidungsbefugnis in Haushalten und Gemeinden, Unmöglichkeit, auf Kredite zuzugreifen, um eine neue Initiative zu starten. Reproduktive Gesundheit: Frauen im ländlichen Raum sind 38% seltener mit Hilfe eines Arztes zu erreichen als Männer. Frauen, die in städtischen Gebieten in Ländern mit niedrigem Einkommen leben haben ein erhöhtes Risiko für mögliche Komplikationen, tödliche, schwere Blutungen, Infektionen und erhöhte Müttersterblichkeit. Zugang zu Resourcen: Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser variiert enorm: Ländliche Gebiete 20%; städtische Gebiete 68%. Ländliche Frauen und Mädchen sind oft für die Wassergewinnung verantwortlich. Folgen: Hindernisse für Bildung und Beschäftigung, Zunahme unbezahlter Hausarbeit; erhöhtes Risiko von Müttersterblichkeit, Gewalt, psychischer Stress, Kinderheirat. In einigen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik ist es doppelt so wahrscheinlich, dass ein Mädchen am Land als Kind heiratet als ein Mädchen, das in einem Stadtgebiet, damit sind wieder verbunden: Hindernisse für Bildung und Beschäftigung; erhöhtes Risiko von Gewalt intimer Partner; frühe Schwangerschaft; Komplikationen bei und nach der Geburt, Anfälligkeit für Geschlechtskrankheiten, einschließlich HIV.

Fazit von Marie-Jules Mpot Mimbang: Afrikanische Frauen sind entscheidend an der Entwicklung des Kontinents beteiligt und ihr Beitrag ist effektiv in der Entwicklung. 90% der Zukunft Afrikas hängt vom Engagement seiner Frauen ab. Wir gratulieren!

Von Marie-Jules Mpot Mimbang und Heidi Meinzolt


[1] Association Action libre Afrique, gegründet von Constance Kaboré mit Freunden 2016

[2] Die WWSF-Women’s World Summit Foundation ist eine Schweizer Stiftung und eine humanitäre, weltliche, gemeinnützige NGO mit UN-Beratungsstatus (ECOSOC, UNFPA und DPI). Sie dient mit ihren jährlichen Initiativen, Aktionen, Kampagnen, Preisverleihungen und Welttage die Förderung von Frauen und Kinderrechten und die UN SDG-Agenda. Der WWSF will mit seinem 17 Tage Aktivismus-Kampagnen-Kit (17 Themen) Landfrauen und ihre Partnerinnen mobilisieren und stärken und ihre Gemeinschaften, sowie Männer, Jugendliche und religiöse Führer von notwendigen Veränderungen überzeugen, lokale und nationale Aktivitäten zu verstärken und die Frauen im ländlichen Raum ermutigen, ihre Grundrechte geltend zu machen. Gerade daran arbeitet Constance mit großem Engagement, ganz im Sinne der Nachhaltigkeitsziele: Empowerment, Frieden, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit zu verbinden.