COP oder Flop – Bericht aus Paris 30.11.15
von Heidi Meinzolt
Cop oder Flop
So titelte heute Liberalisierung, eine große französische Tageszeitung.
Und in der Tat, Anspruch und Wirklichkeit, mehrheitlich politische Willensbekundigungen weltweit und reale Machtverhältnisse, Ausnahmezustand in der Stadt und engagierte Zivilgesellschaft, die sich Gehör verschaffen will, klaffen total auseinander. „System Change statt Climate change“ macht die Runde. Vielleicht gerade deswegen und im Licht des 3 monatigen Notstands den die französische Regierung wegen der Terrorakte ausgerufen hat, regiert spürbar die Nervosität in den Straßen von Paris. Nach der mörderischen Attacke auf das Herz des freiheitlichen Lebens wird die Repression nun staatlich inszeniert zum „Schutz“ der Staatsgäste, trifft aber gleichzeitig die Zivilgesellschaft und ihren Ruf nach Gerechtigkeit. Bereits im Vorfeld gab es Festnahmen in den Kreisen der KlimaaktivistInnen, hohe Polizeipräsenz auf den Straßen und ein totales Demonstrationsverbot. Die Climate Coalition hat jedoch wunderbar verhandelt und eine kilometerlange Menschenkette möglich gemacht. Farbige Schilder, kurze Slogans, internationale Präsenz, Musik und Phantasie prägten eindrucksvoll das Bild von AktivistInnen, die etwas zu sagen haben. Frauen als Agents of change, Hand in Hand mit Indigenen aus Ecuador, vereint für die Verteidigung eines Leben in Würde, Träumer und MenschenrechtlerInnen, Wissenschaftlerinnen, PhilosophInnen und Bäuerinnen. Die Schuhe auf der Place de la Republique –sogar der Papst hatte ein paar geschickt- hatten hohe Symbolkraft. Die Konfrontation blieb jedoch nicht aus mit kleinen Gruppen, die „liberte fraternite, egalite“ bedroht sahen durch die hohe Präsenz an militarisierter Polizei, die auch erwartungsgemäß bzw. reflexartig Tränengas und Schlagstöcke einsetzten.
WILPF hatte am Vortag mit zahlreichen Frauenorganisationen an einem sehr konstruktiven Debatten tag im Rathaus von Paris teilgenommen. Im Mittelpunkt stand der weltweite Frauenappell zur Klimagerechtigkeit www.womenclimatejustice.org, der unterzeichnet werden kann. Er kritisiert den mangelnden politischen Willen vieler politischer Entscheider, ihrer Expertokratie im Gefolge und alle unter der Fuchtel multinationaler Unternehmen, entscheidende Veränderungen zu beschließen. Diese müssen ins Herz ihrer neoliberalen kapitalistischen Daseinsberechtigung zielen. Der Appell unterstützt die Solidarität mit den Frauen in der südlichen Hemisphäre und den Indigenen, die besonders von den dramatischen Auswirkungen des Klimawandel in ihrer Daseinsvorsorge aber auch ihren Rechten jetzt und in der Zukunft beschnitten werden. Er betonte gleichzeitig die Verantwortung der Haupt – CO2 Emittenten zur Transformation ihres Produktions-und Konsumverhaltens. Sophie Moral, WILPF Frankreich, hat dies eindrucksvoll mit den Folgen des großflächigen Extra-aktivismus belegt, der Umweltschäden durch Vergiftung mit Hilfe chemischer, radioaktiver Prozesse in unvorstellbaren Ausmaße produziert, zum Profit einiger Globalplayer. Soziale Folgen, wie Armut, Vertreibung, Kriminalisierung, soziale Kämpfe und schließlich Krieg… alles Beutezüge (empreinte predative) , wie Nicole Roelens ergänzt, die das Leben, die Gesundheit und Unversehrtheit auf dem Gewissen haben – ein zutiefst menschenrechtlichechtlicher/ frauenrechtlicher Ansatz. Der fatale Zusammenhang dieser Beutezüge mit Gewalt und Krieg wurde insbesondere in der lebhaften Debatte spürbar mit Frauen aus den Philippinen, dem Irak, Algerien, Vietnam, Europa und Amerika. Minen, nukleare Verseuchung und Missbildungen, Zwangsprostitution, Kinderheirat, Flucht und Hunger, die Liste der Leiden ist lang.
In großer Übereinstimmung wurde aber auch festgehalten, dass Frauen nicht nur Opfer, sondern auch ein unverzichtbarer Teil der Lösung sind. So fordern sie mit lauter Stimme Gerechtigkeit, Beteiligung an Verhandlungen und Entscheidungen. Nicht alles was technisch möglich ist oder zukünftig scheint, darf auch gemacht werden. Die Verantwortung im Sinne der „Pacha Mama“, aber auch von kritischen Wissenschaftlerinnen verlangt, dass mancher Rohstoff in der Erde bleiben muss. Bewahrung von Ressourcen, höhere Effektivität bei der energetischen Nutzung, Nachhaltigkeit auch im Sinne der neuen Ziele (Ziel 17 stellt den Zusammenhang zum Krieg her), Gerechtigkeit in einem umfassenden (Gender-)Sinne … die Liste der Forderungen der Frauen ist lang und liest sich wie eine Roadmap zur großen Transformation.
Wie kommt sie an die Entscheider? In le Bourget gibt es jeden Morgen einen Termin zur Konsultation der Frauen mit den EntscheiderInnen. Auf dem Treffen der Zivilgesellschaft in Montreui am 5.und 6. Dezember werden nacheinander viele Impulse verstärkt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: wir haben keine Angst kritisch nachzufragen, keinen Respekt vor dem Mainstream der Abwiegler und systemkonformen Strukturen, so lange wir solidarisch sind , denn es geht irgendwie ums Gesamte, ums Überleben unserer Spezies, der Natur, aber auch der Kulturen und Rechte. Wir nennen sie beim Namen die Verbrecher aus der Waffenindustrie, der Bergbaukonzerne und aus dem Handel.
Veränderungsimpulse müssen und werden von Paris ausgehen, werden das Wissen und das (Selbst-) Bewusstsein der Zivilgesellschaft und der Frauen in vorderster Front stärken und den vielen Nischen, aus denen ein Leben in Würde erwächst neue Nahrung geben –auch ganz im Sinne von Vandana Shiva und ihrer Herangehensweise an eine verträgliche Landwirtschaft, mit Sharing-Initiativen und Commonwealth, gegen Handelsverträge, die Nachhaltigkeit und Demokratie aushebeln.
Auf der Frauenkonferenz war besonders beeindruckend der Beitrag einer jungen Frau aus Bahrain von AYCM (arabischen Youth climate movement): „wir sind mehr als Öl, unsere Zukunft ist Vertrauen, Transparenz und Gleichberechtigung“. Ihnen wünschen wir besonders Zugang zu den Mächtigen, den EntscheiderInnen, aber auch mutigen Zulauf von den vielen Enttäuschten auf der „Verliererseite“.
WIR ALLE MÜSSEN UNSERE Vorstellungskraft entkolonialisieren und dies gewaltfrei und solidarisch!