11. Mai 2020

CORONA-ACTION-TIME

Die Corona-Zeit mag bald vorbei sein, doch lassen wir das Momentum nicht aus den Augen und fangen wir an zu arbeiten. Lasst uns gemeinsam das verändern, was wir bisher nicht gewagt haben. Lasst uns eine globale Bewegung für ein Leben in Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität bilden. Lasst es uns versuchen, denn wir können nichts verlieren.

ES IST ZEIT ZU HANDELN!

Lest die Analyse, im Anhang – ihr habt vielleicht noch ganz andere Analysen zu diesem Zustand. Schaut Euch an, was zu eurem Leben passt, was euch etwas bedeutet für euer eigenes Leben – und unterstützt unsere Initiative, kehrt nicht einfach zurück zu einer “Normalität”. 

Hier sind 3 Aktionsebenen (A, B, C) die ihr nützen könnt in Verbindung mit entsprechenden Strategien, die ihr euch aussucht. Beantwortet die Fragen zunächst für euch selbst und schaut euch um nach Menschen, die ähnlich denken, um gemeinsam an Alternativen zu arbeiten; weiter unten findet ihr einige praktische Ideen, die euch inspirieren sollen, aktiv zu werden.

A) Was wollt ihr beibehalten/verändern in eurem persönlichen Leben? Schreibt eine Liste. 

  1. Spürt zunächst einmal dem neuen Rhythmus in eurem täglichen Leben nach, der Entschleunigung. Schaut euch um, beobachtet neugierig eure Umgebung, traut eurer Vorstellungskraft und verlasst euch auf euer eigenes Tempo. Probiert es aus!
  2. Pickt euch heraus, was ihr einfach umsetzen könnt – schon eine Sache ist gut. Macht es einfach!
  3. Sprecht mit eurer*m Partner*in, Familienmitgliedern oder einer anderen vertrauten Person über das, was ihr aus der Krise für euch ziehen könnt und was ihr verändern oder bewahren wollt. Macht es einfach!
  4. Macht euch Gedanken, wenn ihr alleine seid und besprecht sie dann mit den Menschen um euch herum. Wenn das geklappt hat, freut euch über das Ergebnis oder probiert es nochmal! 
  5. Oder macht etwas ganz anderes. Probiert einfach etwas!

Fangt mit der leichtesten Übung an und überfordert euch nicht. Freut euch über ein Ergebnis, so klein es auch sein mag. Packt das nächste an und macht euch klar, dass Veränderungen Zeit brauchen. Wenn etwas mal nicht klappt, ist das kein Grund zur Sorge. Probiert einfach weiter und verzichtet in jedem Fall auf Gewalt!

B) Was für Veränderungen möchtest du in deiner Gemeinde und näherer Umgebung sehen? Mach eine Prioritätenliste!

  1. Fangt in eurer Nachbarschaft an: Sprecht mit einer*m neuen Freund*in von nebenan, in eurem Haus, in eurer Straße, etc. Was möchtet ihr aus der Zeit der Pandemie bewahren? Was muss wieder zur Normalität zurückfinden? Hängt eine Liste auf, gründet, wenn es Sinn ergibt, eine neue Gruppe oder stärkt vorhandene Gruppen. Fang klein an! 
  2. Sprecht mit jungen Leuten, sammelt Erfahrungen von den Alten. Lest und vertieft euer Wissen. Diskutiert mit Nachbarn, Freund*innen und NROs die Bedeutung von Gemeinwohl in einem neuen Sinn!
  3. Verbindet euch mit lokalen Klimaaktivist*innengruppen und Fridays for Future – die arbeiten sicher schon an einigen Veränderungen. Wichtig ist jetzt: KEIN WETTBEWERB, SONDERN KOOPERATION! 
  4. Sprecht in eher ländlichen Regionen mit der Gemeindeverwaltung und stellt Kontakte zu Jugend- und Frauen*gruppen her. Unterstützt NROs und Hilfsorganisationen, die in eurer Nähe aktiv sind. 
  5. Schreibt zusammen an den*die Bürgermeister*in, an den Stadt- oder den Gemeinderat*die Gemeinderätin, damit sie Nachhaltigkeitsprinzipien den Vorrang geben. Verpflichtet sie dazu, sich um alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen kümmern. Vergesst Parteipolitik!  
  6. Erweist euch solidarisch mit denjenigen, die Hilfe brauchen, darunter Asylsuchende, Geflüchtete, Migrant*innen und obdachlose Menschen. Arbeitet mit Organisationen zusammen, die sie unterstützen.
  7. Passt auf, wo Stress erzeugt wird und beobachtet besonders in der Nachbarschaft, ob irgendwo Gewalt ausgeübt wird. Schaltet euch ein, wenn nötig! 

C) Welche Veränderungen möchtet ihr in eurer Gesellschaft/eurem Land sehen und anregen? Bezieht eure Organisation/en und Netzwerke ein und regt an, was ihr für richtig haltet.

  1. Nutzt die Strukturen und Strategien eurer Organisation/en und Netzwerke für die Stärkung einer Stimme. Verbindet euch untereinander und nutzt soziale Medien.
  2. Verbindet euch mit nationalen Klimaräten und Fridays for Future-Gruppen und teilt eure Forderungen und Ansätze. Findet einen kleinen gemeinsamen Nenner für Aktionen und Kampagnen. KEIN WETTSTREIT, SONDERN KOOPERATION!
  3. Listet „Fehlverhalten“, Missmanagement, Bestechung und Profitstreben auf, die gegen Prinzipien der Menschlichkeit gerichtet sind und entwickelt Alternativen.
  4. Legt Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft offen, wenn sie Menschen schaden.
  5. Betont die Bedeutung einer Kultur des Friedens und der Resilienz gegenüber Mainstream-Politik!
  6. Nennt die Dinge bei ihrem Namen: Wir sind konfrontiert mit den Auswirkungen eines Raubtierkapitalismus (Naomi Klein) und des absoluten Credos, das er vertritt. Profit geht über Menschlichkeit und ist tief im Patriarchat verwurzelt. 

Lasst uns eine inklusive Bewegung bilden: Passt alles an eure eigenen Bedürfnisse an. Länder unterscheiden sich in ihrer Verfassung und Regierungsform – parlamentarische Demokratien, föderale oder zentralistische Strukturen. In undemokratische Staaten müssen Brücken gebildet werden, aber es bleibt wichtig, sich mit Freund*innen, Mitarbeiter*innen, Nachbar*innen, Mitgliedsorganisationen auf lokaler, regionaler, nationaler, grenzüberschreitend europäischer Ebene und internationalen Netzwerken zu vernetzen und zu verbinden. 

Fangt klein an, vielleicht mit einem Anruf… Ihr habt Macht, Rechte und Verantwortung – nutzt sie! 

Bleibt gesund und freut euch über kleine Erfolge! Tretet auch gerne mit uns in Kontakt um Ideen zu diskutieren. Schreibt dafür einfach eine Mail an Heidi Meinzolt (heidi.meinzolt@wilpf.org) oder Helena Nyberg (helena.nyberg@wilpfschweiz.ch).

* Hier noch ein paar Ideen zum Einstieg:

A) Persönliches Leben: Spielt eure Verbrauchermacht aus und verändert Gewohnheiten

  • Ändert u.U. euer Kaufverhalten, wählt lokale, regionale, nationale Produkte; bearbeitet Land, nutzt den Garten, pflanzt etwas an, Kräuter oder anderes – wenn ihr könnt! 
  • Unterstützt kleine Geschäfte vor Ort. Vermeidet Plastik und Importe aus fernen Ländern. So weit möglich, kauft und ernährt euch regional und nachhaltig! 
  • Erfreut euch an nicht-kommerzieller Kunst, kleinen Theatern, Filmkunststudios, Musik, etc!
  • Vergesst nicht die Menschen in Not, die in eurer Nähe wohnen und helft wo möglich aus! 
  • Denkt über euer Freizeit- und Urlaubsverhalten nach und nehmt euer Ruhebedürfnis ernst! 
  • Genießt wieder unzerstörte Natur, Zugang zu sauberem Wasser, einfachem selbstbereiteten Essen!
  • Spart Energie ein, nutzt den ÖPNV so weit wie möglich!
  • Schreibt an den*die Herausgeber*in eurer lokalen, regionalen und nationalen Medien. Erhebt eure Stimme in öffentlichen Diskussionen, im Radio, Fernsehen, Social Media und bei allen Treffen. 
  • Löst wenn möglich euer Konto auf, wenn die Bank üble Geschäfte (z.B. Investitionen in Militär) nicht aufgibt. Schreibt an euren Pensionsfond und fordert nachhaltige Investments ein. Droht mit Deadlines!

B) Gemeinschaft: Arbeitet miteinander und schließt euch zusammen

  • Schreibt GEMEINSAM Briefe und startet GEMEINSAM Petitionen um ein günstiges und besseres öffentliches Nahverkehrssystem auf die Beine zu stellen, um bessere Gesundheitsversorgung, günstigen Wohnraum, Bildung für alle zu fordern. Wenn nötig, ruft zum Zahlungsboykott auf, erhebt eure Stimme zu bestimmten Zeiten (Balkonaktionen)! Organisiert Telefonketten, Mailketten, Tweets….!
  • Stärkt Aufmerksamkeit und Widerstandsfähigkeit von Gemeinden gegenüber allen Formen von Diskriminierung, fehlendem Respekt vor Diversität, Hass, Rassismus, Kriegstreiberei!
  • Bringt lokale und regionale Regierungen dazu, nötige Infrastrukturmaßnahmen in den Haushalt umzusetzen; unterstützt Selbsthilfegruppen, Frauen auf der Flucht, Nahrungsmittelversorgung für Arme, etc. Arbeitet an praktischen Lösungen mit, erstellt entsprechende Listen!
  • Bezieht Räte und Abgeordnete ein: Fordert Steuerboykott gegenüber lebensfeindlichen Investitionen (Waffen, Kunstdünger…) und Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft (Gesundheitssektor, Sozialarbeit, Erziehung, nachhaltige Landwirtschaft und Bauwirtschaft). Wählt nur Abgeordnete/Räte, die diesen Wandel befürworten!
  • Bezieht Gewerkschaften auf lokaler und regionaler Ebene ein, damit sie sich für höhere Löhne in allen lebensunterstützenden Berufszweigen für Menschen, die bis jetzt unterbezahlt waren, einsetzen. Unterstützt insbesondere die systemerhaltenden Jobs (und keine Waffenproduktion!)!
  • Kümmert euch um Obdachlose, Arme und Randgruppen, Flüchtlinge und Asylsuchende. Achtet darauf, dass entsprechende Gebäude und Schutz zur Verfügung stellen! Organisiert Sit-ins!

C) Gesellschaft und Land: Achtet auf Menschenrechte, Bürgerrechte, Frauenrechte, Rechte für Indigene, LGBTIQ, Minderheitenrechte, Umweltrechte – arbeitet daran in euren Organisationen

  • Stellt sicher, dass eure Regierungen alle demokratischen Rechte, die z.Z. ausgesetzt werden, wieder einsetzen. Menschenrechte müssen unangetastet bleiben! 
  • Stellt sicher, dass eure Regierung einen europäischen Geist der Solidarität beibehält und stärkt z.B. praktische und finanzielle Zusammenarbeit, gemeinsame Schuldenpolitik in Europa und europäische Zusammenarbeit darüber hinaus! 
  • Verbreitet das Argument, dass es an der Zeit ist, Militärausgaben für Waffen, Militarisierung und Militärstützpunkte drastisch einzuschränken und aus der Produktion tödlicher Waffen auszusteigen. Tut es, damit das Geld für Gesundheit, sauberes Wasser, gesunde Ernährung, öffentliche Güter und Infrastruktur zur Verfügung steht und eingesetzt wird!
  • Stoppt Militarisierung als „Sicherheits“garant, stoppt Militärinterventionen, gebt Vorrang an Frühwarneinheiten, friedliche Konfliktlösung, und Konfliktprävention unter entsprechender Beteiligung von Frauen (UNSCR 1325)!
  • Dekonstruiert die Logik von ewigem Wachstum und arbeitet gegen die Externalisierung von Problemen mit kreativen Alternativen und bewusstem Konsumverhalten. Unterstützt feministische Ansätze in der Wirtschaftspolitik
  • Arbeitet daran, dass eure Regierung Steuergelder nicht für lebenszerstörende Produktion verwendet. Unterstützt Politiker*innen, die diese Forderungen unterstützen.
  • Bringt eure Regierungen dazu, aus lebenszerstörender Produktion auszusteigen: Ausstieg aus der Kernenergie, aus biologischer, chemischer nuklearer Waffenproduktion und dem Waffenexport!
  • Helft den Ausstieg aus giftigem Agrobussiness zugunsten umweltfreundlicher Landwirtschaft und Ernährungssouveränität voranzutreiben!
  • Wehrt euch, wenn globales Kapital Patente auf Leben und künstliche Intelligenz erwirbt. Nennt die globale Finanzspekulation kriminell.
  • Völker und Gemeinschaften haben das Recht, an allen Verhandlungen über ihr Land direkt einbezogen zu werden. Landgrabbing durch multinationale Interessen muss aufhören. 
  • Überzeugt eure Abgeordneten und Regierungen, dass Austeritätsmaßnahmen und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen aufhören müssen! 
  • Da Kultur zu unserem Leben gehört, stellt sicher, dass künstlerische Freiheit gesichert ist und nicht Marktgesetzen unterliegt.
  • Fordert von nationalen Banken, dass sie einen Schuldenerlass gegenüber des Globalen Südens einbeziehen. 
  • Macht (multinationale) Unternehmen verantwortlich und sorgt dafür, dass sie Extraktivismus in anderen Erdteilen als ihrer Firmensitze, aufzugeben. Sorgt dafür, dass sie ihre extraterritorialen (Menschenrechts-)Verpflichtungen einhalten!
  • Verlangt gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und gleichberechtigte Beteiligung aller Bürger*innen an Entscheidungen ihres Landes. 
  • Geht Bündnisse ein mit nationalen Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innenvertretungen: Fordert Lohnerhöhung für alle Arbeiter*innen in systemerhaltenden Berufen, die bisher deutlich unterbezahlt und unterbewertet sind. Keine Kinderarbeit, keine sklavischen Arbeitsverhältnisse!
  • Fordert, dass Regierungen ihre Strategien verbessern, um Carework aufzuwerten und ein Bildungssystem zu gestalten, das allen gerecht werden kann! 
  • Checkt eure Bank und Pensionsfonds bezüglich deren Investitionen: Fordern Sie Due-Diligence-Prüfungen bei der Kreditvergabe an Unternehmen und beim und den Schutz der Rechte der Umwelt und der indigenen Gemeinschaften bei der Projektfinanzierung?
  • Fordert die Ratifizierung und Implementierung internationaler Konventionen und Verträge, die euer Land noch nicht unterschrieben hat, z.B.: UN-Arms Trade Treaty (ATT), UN-Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons (TPNW), ILO-Convention 169 on Indigenous and Tribal Peoples, Council of Europe-Istanbul Convention, UN-Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW); Women, Peace and Security Agenda of UNSCR 1325, etc.).

von Heidi Meinzolt (WILPF Deutschland) und Helena Nyberg (WILPF Schweiz)