29. Juni 2011

Durban Review Konferenz (DRK)

Auszug aus dem Rundbrief September 2009

In unserem letzten Rundbrief hatte ich meine bevorstehende Teilnahme für die IFFF an der Durban Review Konferenz angekündigt, die vom 20. bis zum 24. April 2009 in Genf stattfand. Die Durban Review Konferenz ist die Nachfolgekonferenz zur UN-Weltkonferenz gegen Rassismus, die 2001 in Durban stattgefunden hat. Es sollten die in Durban verabschiedete Erklärung gegen Rassismus und das Aktionsprogramm (sog. DDPA/ Durban Declaration and Programm of Action) evaluiert, die Fortschritte und Rückschläge aufgezeigt und Empfehlungen für die Zukunft ausgearbeitet werden.

Aufmerksamkeit hatte die Konferenz aber weniger für ihre Inhalte, als für den Auftritt und die Rede des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad erhalten. Ahmadinejad durfte als erster Staatenvertreter das Wort ergreifen, da er der höchstrangigste Regierungsvertreter bei der Konferenz war. Seine inakzeptable israelfeindliche Rede führte zu Tumulten mit Protestrufen wie auch Applaus und einem Auszug verschiedener Staatenvertreter, insbesondere der Europäischen Union, aus dem Saal.

Boykott durch Deutschland

Begründet mit der Befürchtung, die Veranstaltung werde für eine einseitige Verurteilung Israels missbraucht, hatte Deutschland einen Abend vor Konferenzbeginn sein Fernbleiben bekannt gegeben. Es wurde insbesondere auf die Erfahrungen mit der Durban Konferenz 2001 verwiesen, bei der es sowohl im Rahmen der Staatenkonferenz als auch im Rahmen des parallel organisierten NGO-Forums zu antiisraelischen und antisemitischen Vorfällen kam, die damals schon zum Ausstieg der USA und Israels führten. Mit der sogenannten Politik des leeren Stuhles Deutschlands bei der DRK sollte gegen einen Missbrauch der Konferenz für Hasstiraden und Schmähreden gegen Israel protestiert werden. Auch Israel selbst, die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Italien, die Niederlande, Polen und die Tschechische Republik boykottierten die Konferenz. Letztere brachen ihre Teilnahme nach der Rede des iranischen Präsidenten ab. Während verschiedene Stimmen, wie der Zentralrat der Juden in Deutschland, das Fernbleiben Deutschlands begrüßten und auch schon in einer Kampagne zuvor gefordert hatten, gibt es viel Kritik etwa seitens des Forum Menschenrechte, Human Rights Watch, verschiedener Parteien, des Deutschen Instituts für Menschenrechte sowie der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Auch im Namen der IFFF haben wir der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Bundesvizekanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegenüber unsere Bestürzung und Verständnislosigkeit erklärt.

So hat der Boykott durch Deutschland und der neun weiteren Staaten nicht nur den Kampf gegen Rassismus geschwächt, sondern auch dem Ansehen der Vereinten Nationen geschadet. Als Mitglied der Vereinten Nationen ist Deutschland verpflichtet, einen Dialog innerhalb der Staatengemeinschaft – mit allen Schwierigkeiten – zu führen. Wie mit divergierenden Positionen umgegangen werden kann, demonstrierte der Vertreter Norwegens unmittelbar im Anschluss an die Rede von Ahmadinejad. Der norwegische Außenminister Jonas Gahr Store bezeichnete die iranische Rede als Aufstachelung zum rassistischen Hass, mit der der Iran die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten und sich außerhalb der Konferenz und der Staatengemeinschaft gestellt habe (siehe unter https://www.norway-coe.org/hr/Durban-statement.htm). Auch der UN-Generalsekretär Ban Kii Moon und die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Navanethem Pillay distanzierten sich noch am gleichen Tag von der Rede Ahmadinejads. Ein Land wie Deutschland sollte Reden, die zum Hass aufstacheln oder andere einseitig diskriminieren, etwas entgegensetzen und nicht durch Fernbleiben das Feld denjenigen überlassen, die das Forum der Vereinten Nationen für rassistische oder antisemitische Hetze missbrauchen.

Die boykottierenden Staaten haben mit ihrem politischen Taktieren den Menschen, die Opfer von Rassismus sind, einen Bärendienst erwiesen. Deutschland ist verpflichtet, sich an dem weltweiten Kampf gegen Rassismus zu beteiligen und einen Beitrag zur Verwirklichung des Versprechens „alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) zu leisten. Rassismus missachtet diese Werte, verletzt die Menschenrechte und kann zu Gewalt und Krieg führen. Die Ursachen von Gewalt und Rassismus liegen unter anderem auch in den damals wie heute bestehenden unfairen Wirtschaftsverhältnissen, die sich durch die aktuelle Finanzkrise noch zu verschlimmern drohen.

Rassismus in Deutschland

Deutschland trägt nicht nur eine besondere Verantwortung wegen vergangenen Unrechts, wozu der Holocaust und der Kolonialismus zählen, auch aktuell stellt Rassismus in Deutschland eine wiederauflebende und ansteigende Bedrohung dar. Deutschland hat sich dabei nicht nur Problemen von Rechtsextremismus, sondern auch von Alltagsrassismus zu stellen, der in der gesamten Gesellschaft verbreitet ist. Rassistische Diskriminierungen finden nach wie vor direkt und indirekt statt und sind strukturell in Deutschland verankert. Sie erstrecken sich dabei auf alle Lebensbereiche, wie beispielsweise das Bildungssystem, den Arbeitsmarkt und Wohnungssektor. Dass Rassismus kein Randproblem in Deutschland ist, verdeutlichen verschiedene Studien und Berichte insbesondere aus der letzten Zeit.

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) hat im April die Ergebnisse der ersten EU-weiten Erhebung zu den Erfahrungen von Zuwanderinnen und Zuwandern sowie ethnischen Minderheiten mit Diskriminierung und rassistisch motivierten Straftaten vorgestellt. Danach gaben 37% der befragten Personen an, sie seien 2008 diskriminiert worden. Jede achte Person (12%) bezeichnete sich sogar als Opfer eines rassistisch motivierten Verbrechens. Vier von fünf scheuten aber vor einem Gang zur Polizei zurück. Die Daten dieser EU-Midis-Studie zeigen, dass Diskriminierung, Belästigung und rassistisch motivierte Gewalt noch weit verbreitet sind, und machen deutlich, dass gezielte politische Maßnahmen zur Bekämpfung dieses gesellschaftlichen Problems dringend notwendig sind.

Im Mai diesen Jahres wurde auch der vierte Bericht zu Deutschland von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (EKRI) veröffentlicht. Die unabhängige Beobachtungsinstanz des Europarats erstellt Länderberichte durch Besuche der Vertragsstaaten des Europarats, in denen die Situation in Sachen Rassismus und Intoleranz untersucht und Empfehlungen für geeignete Schritte zur Lösung der festgestellten Probleme veröffentlicht werden. In dem Deutschlandbericht kritisiert EKRI unter anderem, dass der Begriff Rassismus in Deutschland zu eng verstanden und vor allem im Kontext von Rechtsextremismus gesehen wird. Alltägliche und strukturelle Formen von Diskriminierung werden so ausgeblendet.

Ähnlich hatte sich auch der UN-Sonderberichterstatter zu Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und zeitgenössischen Formen des Rassismus, Professor Githu Muigai, in seiner Presseerklärung zum Abschluss seines Deutschlandsbesuchs am 1. Juli 2009 geäußert.

Der UN-Anti-Rassismusausschuss (CERD) hatte das enge Verständnis von Rassismus in Deutschland bereits im August 2008 in seinen abschließenden Bemerkungen im Rahmen des Staatenberichtsprüfungsverfahren stark kritisiert und empfohlen „bei der Bekämpfung von ‚Rassendiskriminierung’ einen breiteren Ansatz zu verfolgen, um dieser Diskriminierung in allen ihren Formen einschließlich Äußerungen rassistischer Vorurteile und Einstellungen entgegenzutreten.“ (siehe Randnummer 15 in den abschließenden Bemerkungen von CERD).

Die Ergebnisse der sog. EU-Midis-Studie können auf der Webseite der FRA abgerufen werden: https://fra.europa.eu/fraWebsite/eu-midis/index_en.htm.

Den vollständigen Bericht von EKRI zu Deutschland gibt es hier auf deutsch: https://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-country/Germany/DEU-CbC-IV-2009-019-DEU.pdf.

Die Pressemeldung zum Abschluss der Reise vom UN-Sonderberichterstatter zu Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und zeitgenössischen Formen des Rassismus kann hier auf englisch abgerufen werden: https://www.unhchr.ch/huricane/huricane.nsf/0/DA925CEEC6F7A9FEC12575E600473BF5?opendocument.

Die abschließenden Bemerkungen vom UN-Anti-Rassismusausschuss (CERD) zu Deutschland sind auf deutsch abrufbar unter: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ICERD/icerd_state_report_germany_16-18_2006_cobs_2008_de.pdf.

Der Staatenbericht Deutschlands kann hier auf deutsch abgerufen werden: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ICERD/icerd_state_report_germany_16-18_2006_de.pdf und der vom Forum Menschenrechte eingereichte Parallelbericht findet sich unter: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ICERD/icerd_state_report_germany_16-18_2006_parallel_de.pdf.

Abschlusserklärung der DRK

Es bedarf eines umfassenden Ansatzes zur Bekämpfung von Rassismus. Grundlage müssen die Menschenrechte und die Menschenwürde sein, auf denen wirksame Antidiskriminierungsgesetze sowie eine konsequente Antidiskriminierungspolitik in Bezug auf alle Lebensbereiche aufbauen. Acht Jahre sind seit der Durban Konferenz gegen Rassismus vergangen, in denen sich einiges verändert hat und gleichzeitig vieles unverändert Bestand hat. Es bleibt viel zu tun, sowohl in Deutschland als auch weltweit.

Daher ist auch zu begrüßen, dass Deutschland trotz seines Boykotts der Durban Review Konferenz das Abschlussdokument mittragen und unterstützen wird, wie seitens der russischen Delegation noch in Genf bekannt gegeben und gegenüber der Presse durch die deutsche Regierung wiederholt wurde. In unserem Schreiben an Merkel und Steinmeier baten wir auch um Darlegung, in welcher Form das Abschlussdokument mitgetragen werden soll und welche konkreten Schritte zur Umsetzung geplant sind. Eine Antwort auf das Schreiben von Anfang Mai haben wir nicht erhalten.

Dass das Abschlussdokument überhaupt im Konsens verabschiedet werden konnte, ist als Erfolg zu bezeichnen. Die Verhandlungen hierzu waren langwierig und schwierig. Besonders umstritten im Entwurf war eine Passage zum Nahostkonflikt gewesen. Die singuläre Hervorhebung als einzigen regionalen Konflikt wurde im Abschlussdokument entfernt. Auch wurde die Diffamierung von Religionen, die zu einer gefährlichen Einschränkung der Meinungsfreiheit und zu einer unzulässigen Ausweitung der Menschenrechte führen kann, nicht als neues Konzept aufgenommen. Stattdessen wird in der Abschlusserklärung an die Religionsfreiheit angeknüpft und gleichzeitig der hohe Stellenwert der Meinungsfreiheit für die Bekämpfung von Rassismus in demokratischen und pluralistischen Gesellschaften betont. Obwohl die Befürchtung bestand, dass ein Hinweis auf den Holocaust fehlen könnte, da er in den Diskussionen zum Entwurf erneut geleugnet wurde, wird in der Abschlusserklärung an den Holocaust erinnert, der niemals vergessen werden darf. Neu aufgenommen wurde die Verpflichtung der Staaten zum Schutz von ausländischen Hausangestellten vor erniedrigenden, sklavenartigen Arbeitsbedingungen, die auch in Europa zu finden sind. Gestärkt werden die Rechte indigener Völker. Antisemitismus wird verurteilt ebenso wie Rassismus wegen der Hautfarbe, Kolonialismus und Sklavenhandel und Diskriminierungen von Minderheiten, Migrantinnen und Migranten, Flüchtlingen sowie Sinti und Roma.

Das Abschlussdokument enthält auch eine Vielzahl wichtiger Vorschläge und Anknüpfungspunkte für konkrete Maßnahmen gegen Rassismus. So wird an die Verpflichtung des Durban Aktionsprogramms zur Erstellung von nationalen Aktionsplänen gegen Rassismus erinnert. Deutschland hatte im November 2008 einen entsprechenden Plan (sog. NAP) veröffentlicht, der aber stark kritisiert wird, da er weder einen Plan noch konkrete Aktionen und auch keine ausreichende Analyse der Situation enthalte. Gleichwohl war die Erarbeitung eines NAPs und die Auseinandersetzung und der Dialog der Bundesregierung mit der Zivilgesellschaft eine Errungenschaft insbesondere der Durban Dokumente.

Der deutsche NAP kann auf der Webseite des BMI runtergeladen werden: www.bmi.bund.de.

Eine kritische Stellungnahme mit Empfehlungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte findet sich hier: https://files.institut-fuer-menschenrechte.de/437/pp_nap_gegen_rassismus.pdf.

Daher ist auch bedauerlich, dass an der Abschlusserklärung aus Genf ihre Bezugnahme auf die Erklärung und das Aktionsprogramm von Durban (sog. DDPA) kritisiert wird. Dabei wird insbesondere die noch im DDPA enthaltene Nennung des Nahostkonflikts kritisiert. Die Bekräftigung der DDPA ist aber angesichts ihrer Errungenschaften im Kampf gegen Rassismus wichtig. Neben den praktischen Maßnahmen und Empfehlung ist insbesondere auch die Anerkennung spezifischer Opfergruppen von Rassismus, wie Menschen afrikanischer Herkunft oder Sinti und Roma wichtig. Auch die bereits oben erwähnte Anerkennung der Bedeutung von Kolonialismus und damit verbundener Massaker und Sklaverei für bis heute andauernde Diskriminierung und die Kennzeichnung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind hier zu nennen. Damals wurden auch erstmals auf internationaler Ebene Opfer von Menschenhandel als Opfer rassistischer Diskriminierung anerkannt und die Rechte indigener Völker hervorgehoben. Auch wird der Zusammenhang von Diskriminierung und Armut betont. Besondere Berücksichtigung fand im DDPA außerdem die Genderperspektive. In der Form von Mehrfachdiskriminierungen bzw. intersektionaler Diskriminierung nehmen Diskriminierungen besonders gefährdende Formen an, insbesondere für Frauen, wenn diese sowohl aufgrund ihres Geschlechts als auch beispielsweise wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer sexuellen Identität oder einer Behinderung benachteiligt werden. In der Durban Abschlusserklärung und dem Aktionsprogramm von 2001 hatten die Staaten anerkannt, dass „Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz gegenüber Frauen und Mädchen in differenzierter Weise zutage treten und zu den Faktoren gehören können, die für die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen, Armut, Gewalt, mehrfache Formen der Diskriminierung und die Einschränkung oder Verweigerung ihrer Menschenrechte verantwortlich sind.“

Leider fehlt in der Genfer Abschlusserklärung ein Bezug zu Mehrfachdiskriminierungen und Gender. Bedauerlich ist auch, dass der Schutz vor Diskriminierungen wegen der sexuellen Identität keinen Eingang in das Dokument gefunden hat, wie auch schon nicht in Durban. Außerdem wurden weder die geforderten Reparationszahlungen für den transatlantischen Sklavenhandel aufgenommen, noch die Entschuldigungen zum Kolonialismus und Sklavenhandel auf den asiatischen Raum ausgeweitet. Es hat sich wieder einmal gezeigt, wie schwer es ist, zwischen den Staaten Einverständnis über die Probleme von Rassismus zu erreichen.

Gleichwohl ist die immerhin im Konsens verabschiedete Abschlusserklärung der DRK ein gutes Dokument im Kampf gegen Rassismus, das zwar völkerrechtlich nicht verbindlich ist, auf das sich aber bezogen werden kann und vor dessen Hintergrund die mittragenden Staaten zur Rechenschaft gezogen werden können. Das Dokument nimmt auch auf verbindliche Menschenrechtsdokumente, wie insbesondere die UN-Anti-Rassismuskonvention, Bezug, deren Verpflichtungen in der Erklärung noch mal bekräftigt und konkretisiert werden.

Die deutsche Übersetzung des Abschlussdokuments gibt es hier: https://www.un.org/Depts/german/conf/Durban2009-deu.pdf.

Die Abschlusserklärung und das Aktionsprogramm von Durban (DDPA) gibt es auf deutsch hier: https://www.un.org/Depts/german/conf/ac189-12.pdf.

Weitere wichtige Links findet Ihr auf den folgenden Webseiten:

https://www.un.org/durbanreview2009/.

https://www.unric.org/index.php?option=com_content&task=category&sectionid=5&id=124&Itemid=155.

Die Rolle der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und der Side Events

Das Abschlussdokument der DRK betont auch die wichtige Rolle, die die Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rassismus einnimmt. Auf der Konferenz selber wurde gleichzeitig den Betroffenen und NGOs kaum Raum eingeräumt. Zwar handelt es sich um eine Staatenkonferenz, aber der zuvor immer wieder geäußerte Wille zur Einbeziehung der Zivilgesellschaft wurde nur schwach umgesetzt.

Dies fing bereits mit zurückgehaltenen Finanzmitteln zur Unterstützung und einem schleppenden Akkreditierungsverfahren an, in dem viele NGOs sogar erst am Freitag vor der Konferenz akkreditiert wurden. Auch eine unzureichende Information im Vorfeld der Konferenz durch die Vereinten Nationen, die einzelnen Staaten und durch das die Konferenz organisierende Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) muss kritisiert werden. Dies führte dazu, dass zum einen viele gar keine oder zu spät Kenntnis von der DRK erlangten und dass zum anderen vielen nicht bewusst war, wie wenig Einflussmöglichkeiten vor Ort bestanden. NGO Vertretungen durften erst ganz zum Schluss und wegen vorheriger Überziehungen nur mit verkürzter Redezeit sprechen. Die Modalitäten der Abgabe von mündlichen und schriftlichen NGO-Stellungnahmen wurden auch erst während der Konferenz bekannt gegeben. Zur Verfolgung der Debatten wurde pro akkreditierte NGO einer Person Zugang zum Plenarsaal gestattet, während die anderen eine Videoübertragung in einem anderen Saal verfolgen konnten. Dass es hier dann am Eröffnungstag keine Übersetzung gab und die Rede von Ahmadinejad nur auf Farsi übertragen wurde, führte zu Tumulten, Protesten und weiterem Frust bei den NGOs. Viele fühlten sich systematisch an einer Beteiligung behindert. Das OHCHR begründete die mangelnde Übersetzung mit technischen Schwierigkeiten. Ab dem zweiten Tag wurden die Beiträge immerhin ins Englische übersetzt.

Wie viele andere ließen sich WILPF und IFFF dennoch nicht davon abhalten an der Konferenz und den Vorbereitungen teilzunehmen. Unmittelbar vor der Konferenz fand das Forum der Zivilgesellschaft unter dem Titel „People United against Racism“ zur Vorbereitung der DRK und zur Vertiefung verschiedener Aspekte von Rassismus und seiner Bekämpfung statt. Unter den ca. 400 Teilnehmenden waren auch WILPF-Frauen, wie beispielsweise Irene Eckert der IFFF sowie Edith Ballantyne und viele andere des internationalen WILPF-Büros vertreten. Bis zum frühen Morgen des Konferenzbeginns wurde an einer Erklärung gearbeitet, die von allen mitgetragen werden konnte. In der Erklärung wird unter anderem die Durban Review Konferenz begrüßt und die Staatengemeinschaft zur Unterstützung und Umsetzung der DDPA aufgerufen (siehe unter https://www.iacenter.org/wcar/src_civsoc022209/). Die im Namen der WILPF von Maria Jomaa auf der Konferenz abgegebene schriftliche und mündliche Erklärung kann hier abgerufen werden: https://wilpf.int.ch/PDF/Racial%20justice/Durban_Statement_24April.pdf.

Während die Ziele der DRK auf der Konferenz durch die Rede von Ahmadinejad und ähnliche Reden von Staaten wie Libyen oder Syrien, die die DRK für andere Interessen zu instrumentalisieren versuchten, teils in den Hintergrund traten, wurden die parallel stattfindenden sogenannten Side Events genutzt, um wichtige Fragen betreffend Rassismus zu behandeln und vertieft zu diskutieren. In den über 40 Parallelveranstaltungen, die von UNO Organisationen und NGOs organisiert wurden, ging es um die Ursachen, Erscheinungsformen und Wirkungen von Rassismus sowie die Möglichkeiten der Verhinderung und Bekämpfung. Nur wenige Zwischenfälle störten die Diskussionen. Es gab Side Events zu Mehrfachdiskriminierung und Intersektionalität, zum Zusammenhang von Armut und Rassismus, auch vor dem Hintergrund der Finanzkrise und den durch den Klimawandel zu erwartenden Migrationsbewegungen, zur Islamophobie, zur Förderung des interkulturellen Dialogs, zur Weiterentwicklung der Nationalen Aktionspläne und zu vielen anderen Themen.

Interessant war auch die Veranstaltung „Discrimination against the rights of peoples“, die u.a. von Indigenous Peoples and Nations Coalition organisiert wurde und bei der das langjährige WILPF-Mitglied Krishna Ahoojapatel einen Input gab. Neben Krishna war Dudu Dien, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter zu Rassismus, auf dem Podium, der in einer beeindruckenden Rede darauf hinwies, dass es wichtig sei, die Mechanismen von Rassismus zu dekonstruieren und zu begreifen, dass es sich dabei nicht um ein „Naturereignis“ handele. Wichtig sei das Verständnis der Mechanismen von Rassismus zur Entwicklung geeigneter Gegenmaßnahmen. Hierzu zähle insbesondere die Verabschiedung von effektiven Antidiskriminierungsgesetzen, die Aufklärung über und das Werben für den Gleichheitsgrundsatz und die Förderung eines Dialogs zwischen den Menschen.

Gelegenheit die Stimmen der Opfer von Rassismus zu hören, gab es bei der täglich stattfindenden Reihe „voices“, wo unterschiedliche Geschichten von betroffenen Personen erzählt und im Anschluss hierüber diskutiert wurde. So berichtete eine Roma aus der Tschechischen Republik von ihrer Zwangssterilisation und ihrem Kampf in einer NGO durch Öffentlichkeitskampagnen für die Anerkennung dieser Verbrechen und für eine Kompensation der betroffenen Roma und Sinti. Ein Amerikaner afrikanischer Herkunft schilderte seine Erfahrung mit Racial Profiling, womit das rassistische Herausgreifen bestimmter Personen bei Personenkontrollen allein auf Grund ihres Aussehens gemeint ist. Er berichtet weiter von seiner erfolgreichen Klage gegen die amerikanische Polizei und rief dazu auf, sich auch gerichtlich gegen rassistische Übergriffe zur Wehr zu setzen und Ansprüche gerichtlich durchzusetzen.

Wichtig waren auch die Veranstaltungen zu den verschiedenen UN-Organisationen, wie insbesondere die zur Rolle des UN-Anti-Rassismusausschusses (CERD). Hier konnten die Instrumente zum Menschenrechtsschutz wie auch die Beteiligungsmöglichkeiten für NGOs an den Verfahren von CERD vorgestellt werden. Aber auch zu konkreten Fragen, etwa einer Betroffenenorganisation, die Dalit in Indien vertritt, wurden hilfreiche Hinweise gegeben. Dalit sind in Indien aus dem Kastensystem aus rassistischen Gründen als „Unberührbare“ bis heute oft ausgeschlossen. So kann der Kampf der Dalit gegen die degradierende Praxis in Indien durch die Bezugnahme auf ein offizielles Dokument Nr. 29 des Ausschusses unterstützt werden, in dem ausdrücklich anerkannt wird, dass rassistische Diskriminierungen auch Diskriminierungen wegen der Abstammung und insbesondere Diskriminierungen gegen Personen einer sozial konstruierten Gruppe wie im Rahmen eines Kastensystems umfassen.

Nach DRK

Entscheidend wird nun sein, was die Staaten aus der Abschlusserklärung der DRK machen. Seitens der NGOs sollte die Umsetzung der Abschlusserklärung aktiv gefordert, begleitet und unterstützt werden. Sinnvoll wäre die Einrichtung formeller oder informeller Follow Up Mechanismen durch die Staaten, wofür auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte appelliert. Sie kündigte an, jedenfalls eine Beobachtungs- und Analyseinstitution schaffen zu wollen, die weltweit rassistische Vorfälle und Missstände registriert. Im Rahmen der Implementierung und auch Weiterentwicklung der Präventionskonzepte der DRK Erklärung können NGOs einen wichtigen Beitrag leisten.

Zudem ist es wichtig, die existierenden Instrumente der Vereinten Nationen bekannter zu machen, da häufig sowohl bei den Opfern von Rassismus wie auch bei den NGOs die Kenntnis der Rechte und Durchsetzungsmöglichkeiten fehlt. Auch ansonsten könnten NGOs verstärkt die UN zur Förderung des Menschenrechtsschutzes nutzen, indem die Sitzungen des Menschenrechtsrats kontinuierlich beobachtet und begleitet oder beispielsweise eine gezielte Ansprache von Regierungsvertretungen im Rahmen der verschiedenen Überprüfungsverfahren der nationalen Menschenrechtslage erfolgt.

Während außerdem das Ansehen und die Stellung der Vereinten Nationen, zu der es keine Alternative gibt, gestärkt werden müssen, sollte die Konferenz gleichzeitig zum Anlass genommen werden, einen Diskussionsprozess über Verbesserungen der UNO anzustoßen.