16. Juli 2018

Feministische Perspektiven auf Deutschlands Afriakpolitik

Der 32. WILPF-Kongress findet in Ghana und damit erstmals in einem afrikanischen Land statt. Aus diesem Anlass traf sich die deutsche WILPF Sektion am 27. Juni 2018 mit afrikanischen Frauen im Eine-Welt-Haus in München um gemeinsam über Sicherheitspolitik, Frieden und aktuelle politische Kooperationen zwischen Deutschland und afrikanischen Ländern zu diskutieren.

Ein wichtiges Gesprächsthema war die verstärkte Kontrolle der Migrationsrouten von Afrika nach Europa seitens der deutschen und europäischen Außenpolitik. Die engere Kooperation zwischen der deutschen Bundesregierung mit autoritären afrikanischen Staatschefs ist dabei besonders besorgniserregend. Gleichzeitig werden den Forderungen der Zivilgesellschaft, insbesondere von Frauen, weiterhin zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl sie am besten wissen, warum Migration für viele Menschen vor Ort eine Option bzw. Notwendigkeit darstellt. Der Fokus auf Grenzsicherung steht außerdem im klaren Widerspruch zu derZukunftsvision der Afrikanischen Union die ein „grenzenloses“ Afrika für alle Bürger_innen der Mitgliedsstaaten beinhaltet, um Wirtschaftswachstum und nicht zuletzt ein friedliches Zusammenleben zu fördern.

Der „Marschallplan mit Afrika“ und der G20 „Compact with Africa“ sind Instrumente, mit denen Deutschland derzeit versucht die Entwicklung in afrikanischen Ländern voranzutreiben. Doch auch hier werden die Menschen vor Ort zu wenig in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen. Deutlich wird dies unter anderem an der Verschwiegenheit über die deutsche Kolonialvergangenheit und deren Folgen für lokale Bevölkerungsgruppen, die bis heute Spuren hinterlassen. Hier sollte Deutschland einen fairen Dialog mit den Betroffenen eingehen und nicht nur von oben herab politische Entscheidungen dirigieren.

Anhand der aktuellen Kooperationsprojekte zwischen Deutschland und Ghana lässt sich erkennen, dass die Sicherheit und der Wohlstand der deutschen/europäischen Bürger_innen weiterhin Priorität genießen während afrikanische Bürger_innen, wenn überhaupt, nur langsam eine Verbesserung ihrer Lebensumstände erwarten können.

GHANA-DEUTSCHLAND –KOOPERATION

Deutschland seit 2002 hat Ghana mit 19 Millionen Euro mit militärischem Material ausgerüstet und Training durchgeführt vorwiegend, um Ghanas führende Rolle in Peace Keeping Missionen in der ganzen Welt auszuführen. Deutschland hat 2003 die Einrichtung des Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre (KAIPTC) mit 11 Millionen Euro unterstützt in einer Kooperation verschiedener Ministerien (AA, BMZ, BMVG, BMI) und fördert dort internationale Trainingseinheiten mit einem ganzheitlichen Ansatz.

Die Friedens-und Sicherheitspartnerschaft zwischen EU und African Union/AU fokussiert ihrer Ansatz offiziell auf menschliche Sicherheit, politische Stabilität, good governance und nachhaltiges und inklusives Wachstum im Rahmen der EU-African Peace Facility (APF), die über ein Budget von 900 Millionen Euro für den Zeitraum 2014-16 verfügt. Darüber hinaus gibt es strategische Zusammenarbeit von EU PSC („Political and Security Committee“) und AU PSC, die sich um gemeinsame Positionierung in internationalen Konflikten bemüht.

Herausforderungen der deutsch-ghanaischen Kooperation sind die Implementierung von UNSCR1325 und ihre Verankerung als Querschnittsthema für alle Ministerien und Institutionen mit einem NAP. Mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums – als ausschließlich männerdominierter Einrichtung – ist dies ganz gut gelungen aus der Sicht der Ministerin für Gender, Kinder und Soziales. Dies hat Auswirkungen auf eine völlig unzureichende gegenderte bzw. quotierte Besetzung der Friedensmissionen – Frauen nur als Hilfskräfte (support service roles).

Ziele der Umsetzung der Frauen-Frieden-Sicherheits-Agenda auch in Ghana:

Die 3 Pfeiler: Partizipation, Schutz und Prävention sind Grundvoraussetzungen. Es muss sichergestellt werden, dass die Rechte, Interessen und speziellen Bedürfnisse von Frauen politisch auf allen Ebenen verantwortlich umgesetzt werden und dass vor allem Konflikte und Gewalt gegen Frauen im Privaten wie in der Öffentlichkeit reduziert werden. Dazu müssen Bewusstseinsbildung, Ausbildung und Impact Assessments auch in Ghana durchgeführt und unterstützt werden, orientiert an internationalen Indikatoren und Standards.

Reformpartnerschaft Deutschland – Ghana

Sei, so Steinmeier, ein Zeichen des Respekts dafür, „was hier in Ghana in den letzten Jahren auf den Weg gekommen ist und was Ghana im Unterschied zu anderen afrikanischen Staaten derzeitig positiv auszeichnet.“ Es ist nach Tunesien und Côte d’Ivoire erst die dritte Reformpartnerschaft auf dem Nachbarkontinent, die Deutschland eingeht.

Sie erwuchs als bilaterale Variante aus dem sogenannten „Compact with Africa“-Programm der deutschen G20-Präsidentschaft und umfasst Wirtschaftsfördermaßnahmen vor allem in den Bereichen erneuerbare Energie und Infrastruktur. Der Gesamtrahmen liegt bei 100 Millionen Euro, zu 85 Prozent zinsgünstige Kredite. Interessant ist in dem Zusammenhang die Aussage des ghanaischen Präsidenten: „Ghana beyond Aid – Ghana jenseits der Entwicklungshilfe“: Statt zu betteln und dauerhaft den europäischen Steuerzahlern auf der Tasche zu liegen, wolle er echte Partnerschaften, von denen beide Seite profitierten. Technologie- und Know-How-Transfer – zum Beispiel bei der Infrastrukturentwicklung, bei der Deutschland Ghana meilenweit voraus ist“. Immer wieder geht es natürlich auch um Direktinvestitionen in die verarbeitende Industrie, plädiert Naana Ntiri, Reporterin von Peace FM. Ghana habe so viele Rohstoffe von Gold bis Kakao, die aber meist im Ausland verarbeitet und dann reimportiert würden. „Vielleicht sollten deutsche Investoren auch mal in unser Land, in unsere Gesellschaft investieren?“ Bitter nötig wäre das, um 20 Millionen jungen Ghanaern eine Bleibeperspektive zu schaffen.“

WILPF setzt insbesondere in der Kooperation mit WILPF Ghana und im Umfeld des Kongresses auf Kooperationen auf Augenhöhe mit Frauen, die sich für Frieden, und die SDGs einsetzen – also gegen Militarisierung, und vielfältige zivile Kooperationen, Netzwerke der engagierten Frauen – jenseits neoliberaler Konzepte.

von Heidi Meinzolt und Jennifer Menninger