6. Februar 2020

Gleichberechtigung – Entwicklung – Frieden 1995 – 2020

Diese drei Schwerpunkte der Aktionsplattform von Peking, beschlossen auf der Weltfrauenkonferenz vor 25 Jahren, gilt es 2020 mit neuem Leben zu erfüllen. 

Dazu gesellt sich die Verabschiedung im Jahr 2000 die VN-Sicherheitsratsresolution 1325 mit den drei „P’s“: Protektion, Partizipation und Prävention. Neun ergänzende Resolutionen folgten, u.a. zur Strafverfolgung sexualisierter Gewalt im Konflikt und „Jugend-Frieden-Sicherheit“. Damit steht eine wegweisende Frauen-Friedens-Sicherheitsagenda.

Rückblickend auf die letzten 25 Jahre ziehen wir Bilanz: Ist seit Peking eine neue Ära angebrochen? Welche Forderungen sind noch offen und wo muss der Weg hingehen:

Wir beobachten viele konstruktive Diskussionen: eine steigende Zahl wissenschaftlicher Artikel und Aktionen für und über Gleichberechtigung und Frieden; ein wachsendes Netzwerk von Frauen, die sich lokal und global engagieren für eine andere Weltordnung; hervorragende Analysen der Ursachen von Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeiten aus geschlechterberücksichtigender und feministischer Sicht; Übersetzungen der Frauen-Frieden-Sicherheit Resolutionen in Welt- und Regionalsprachen; nationale Aktionspläne zur Umsetzung und Implementierung; eine Menge inspirierender „good practice“ – Beispiele! 

Trotzdem reibt sich Frau verblüfft die Augen, wie ähnlich die Forderungen noch immer klingen: Wo bleibt die allgemeine Abrüstung, die gleichberechtigte Beteiligung an Friedensverhandlungen, wie sie vor über 100 Jahren auf den Gründungskongressen 1915/19 der WILPF aufgestellt und in die Welt getragen wurden? 

Krieg, Gewalt und der Profit einiger Weniger ist Alltag für viele Menschen auf der Welt. Generationen von Friedensforscher*innen und Diplomat*innen konnten die Wende nicht herbeiführen. Ignoranz, gefährliche Machtkämpfe und Fanatismus nähren weiter exponentiell wachsende Konflikte. (Massenvernichtungs-) Waffen für die Kriege in der Welt und im Weltraum werden produziert und geliefert, im Dienste einer ethisch unverantwortlichen Abschreckungslogik. „Friedensverhandler“ in Anzug und Krawatte lächeln in Kameras. Blauhelm-Soldaten sollen schließlich zum Appeasement kommen und humanitäre Hilfe mit Spendengeldern die größte Not lindern. Prävention und Konflikttransformation bleiben Randnotizen der Geschichte, wenn Eskalation nicht strategisch verhindert und die Gewaltspirale unterbrochen wird. 

Der Frauenanteil in den Parlamenten mancher Länder (z.B. Deutschland) geht 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts schon wieder zurück. Neue Mauern gegen Menschen werden hochgezogen und Brücken mit Hilfe von (geschürtem) Hass eingerissen. Wie können wir ruhig bleiben, wenn gemäß dem Global Gender Gap Report 2018 des Weltwirtschaftsforums (WEF) es beim derzeitigen Tempo 108 Jahre dauern wird, um die globale Kluft zwischen den Geschlechtern zu schließen, und 202 Jahre, um die wirtschaftliche Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. 

Wenn 1% der Menschen ihr Eigentum an den Ressourcen der Welt vergrößern, verschärft sich die Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Trotzdem wird weiter „Wachstum“ gepredigt. Rassismus, Raubtierkapitalismus, Diskriminierung und die (koloniale) Ausbeutung von Menschen und Natur feiern fröhliche Urstände – je weniger es zu erbeuten gibt. Bürgerliche Freiheiten ersticken unter Überwachung und neuen Autoritäten, militärisches Denken dominiert den Sicherheitsdiskurs und das neoliberale Wirtschaftssystem profitiert davon.

Die internationale Frauenliga kritisiert das Kontinuum von Gewalt – vor 100 Jahren, vor 25 Jahren und heute. Es ist im unsäglichen Dreieck von Militarismus, Patriarchat und Wirtschaft angelegt und hat die Welt fest in der Zange. Nachgeben ist keine Option! Wir lassen uns unsere Visionen nicht nehmen und werden auch noch in den nächsten 25 oder 100 Jahren für Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden einstehen. 

Deshalb heißt unsere Devise zum „Jubiläum“ von einem „was wäre wenn-Zustand“ zu einem „Ist-Zustand“ zu kommen.

Denn was wäre, wenn…

● Wir von der waffengestützten „Sicherheit“ zu einem ganzheitlichen Verständnis der menschlichen und geschlechtergerechten Sicherheit übergingen? 

● Wir den Atomwaffenverbotsvertrag ratifizierten, den Waffenhandel eliminierten und das freiwerdende Geld in Gesundheit, Soziales, Umwelt investierten?

● Jedes Land ein Friedensministerium hätte, Friedenserziehung förderte und für eine friedliche gewaltfreie Entwicklung im In- und Ausland arbeitete?

● Der Sinn für Gemeinwohl und ein gesellschaftliches Miteinander verstärkt würde und kreative Wege von uns allen begangen würden

● Wir die Konstruktion von geschlechtsspezifischen Normen wegließen und Diversität als Reichtum verstünden?

● Jede Frau, jeder Mensch selbstbestimmt leben und arbeiten könnte ohne Gewalt zu fürchten?

● Wirtschaftliche Akteure die sozialen und wirtschaftlichen Rechte achteten und rechtliche Rahmenbedingungen für Ressourcen schonende und sozial engagierte Produktionen sicher stellten?

● Regierungen auf die Expertise der Wissenschaftler*Innen und der Aktivist*Innen zurückgriffen und danach Entscheidungen für Klima und Gesellschaft treffen würden?

● Die UNO im Sinne ihrer Charta ihren Friedensauftrag erfüllen würde und könnte?

von Heidi Meinzolt und Victoria Scheyer