3. April 2018

Offener Brief an die Bundeskanzlerin

z.K. an die Bundesministerien und die politischen Parteien

an das Bündnis 1325 und die Friedensbewegung

Sehr geehrte Frau Kanzlerin Merkel,

Sie haben mit Ihrer Regierungserklärung den Bundesminister des Inneren mit seinen provozierenden Aussagen zum Islam in Deutschland deutlich in die Schranken verwiesen. Das begrüßen wir.

Herr Seehofer legt aber beständig nach mit seinem, bereits in Bayern von engagierten Männern und Frauen in der Frauen-und Friedensbewegung seit vielen Jahren heftig kritisierten Programm: einem Marshallplan zur Abschiebung und einer Verstärkung des militärischen Grenzregimes. Das spaltet in unseren Augen die Gesellschaft in einem besonders sensiblen Moment, gefährdet den inneren Frieden, verhindert ein gedeihliches immer wieder neu auszuhandelndes Zusammenleben der Menschen in Deutschland und Europa und leistet einer Militarisierung im internationalen Kontext Vorschub. „Heimat“ darf nie einen Exklusivitätsanspruch haben – und schon gar nicht für einen Parteienvertreter. Herr Seehofer bereitet damit nicht zuletzt auch den Boden zur Zusammenarbeit mit der rechtsextremen AFD, die er (noch) vorgibt zu bekämpfen – und das ist so auch eine Gefahr für die gesamte CDU.

Was uns aber als Frauenfriedensorganisation besonders entsetzt, ist, dass Horst Seehofer auf geradezu unverschämte Art die Spitze seines Ministeriums ausschließlich mit Männern besetzt hat und dies auch noch rechtfertigt mit „der Qualität, die er braucht für die kommenden Aufgaben“. Sein vormaliger Generalsekretär Scheuer, nun ebenfalls in Ministerwürden, bläst ins gleiche Horn. Die CSU-„Mann-schaft“ Seehofer und Scheuer ignorieren, dass Gemeinwohl und innerer Friede nur durch Gerechtigkeit – und das schließt Gleichberechtigung und Gendergerechtigkeit ausdrücklich ein – zu erreichen ist. Eine wahllose statistische Postenakkumulation jetzt im Nachhinein wirft nur noch ein schieferes Licht auf ihr politisch unverantwortliches Handeln. 100 Jahre nach Einführung des allgemeinen passiven und aktiven Frauenwahlrechts – für das sich unsere Gründungsmütter eingesetzt haben – denken beide Herren immer noch, man könnte eine gleichberechtigte Besetzung von Spitzenämtern in die Zukunft extrapolieren. Das widerspricht den Vorgaben des Koalitionsvertrages, aber auch den Werten der Demokratie und dem Grundgesetz (u.a. Religionsfreiheit und Gleichberechtigung). Seehofer watscht damit alle DemokratInnen in Deutschland ab – und tritt die Frauen in Europa und anderen Teilen der Welt mit den Füßen.

Deutschland bewirbt sich in diesem Jahr wieder für einen Sitz im UN Sicherheitsrat – u.a. mit dem Verweis auf seine Rolle in der Umsetzung der UNR1325 zur gleichberechtigten Beteiligung von Frauen an Konfliktlösung und demokratischen Prozessen. Der Bewerbung, die Außenminister Maaß gerade wieder einmal überreicht hat, bekommt nun mit der Besetzung politischer Schlüsselpositionen im eigenen Land wirklich eine zynische Note!

Wir empfehlen Ihnen dringend, Herrn Seehofer nicht nur auf den eigenen Koalitionsvertrag zu verpflichten, sondern umgehend zu entlassen, bevor er schlimmeren Schaden anrichten kann.

Mit freundlichen Grüßen

Heidi Meinzolt & Irmgard Hofer

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