11. September 2020

Offener Brief der AG „Women and Gender Realities“ in der Civic Solidarity Platform der OSZE zur Unterstützung von Frauen in Belarus

Seit einem guten Monat steht Weißrussland im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit durch die Massendemonstrationen im Land. Der Regierungschef am längsten im Amt im ganzen postsowjetischen Raum. Nach den Präsidentschaftswahlen am 9. August starteten Massenproteste im ganzen Land. Während Hunderttausende gegen die Regierung protestieren und freie und faire Wahlen fordern, zieht das Regime vor die Forderungen zu ignorieren und greift zu harten Maßnahmen gegen Demonstrant*innen und droht der Zivilgesellschaft. Hunderte werden politisch verfolgt. Unabhängige Journalist*innen werden verhaftet und andere Bürger*innen unterdrückt und zum Schweigen gebracht. So will die Regierung den „Ungehorsamen“ eine Lektion erteilen. Viele Intellektuelle, Journalist*innen, politische Kommentator*innen mussten fliehen, um der Strafverfolgung zu entgehen. Nach offiziellen Angaben wurden allein in den ersten 3 Protesttagen mehr als 7000 friedliche Demonstrant*innen verhaftet.

In dieser fordernden Zeit übernahmen Frauen wichtige und führende Rollen beim Versuch, das Land auf einen „Weg der Veränderung“ zu bringen. Frauen spielten eine herausragende Rolle in der Wahlkampagne und in der folgenden Protestbewegung. Drei Frauen wurden das Gesicht der Opposition, als direkter Beweis der Absurdität und Diskriminierenden Aussagen der Regierung, dass „eine Frau nicht Präsidentin werden könne“.

Nach der Wahl und dem Start der Protestbewegung riefen Frauen zu einer friedlichen Demonstration im Zentrum von Minsk auf am 12.August. Sie initiierten die Menschenkette der Solidarität und zeigten damit den friedlichen Charakter ihres Protestes gegen den Wahlbetrug. Mit dieser Bewegung riefen sie auch zur Beendigung der Gewalt auf und der Freilassung aller Gefangenen und politischen Häftlinge. In den folgenden Tagen wurden die Märsche der Frauen und Solidaritätsketten zu bestimmenden Faktoren der Straßenaktionen im ganzen Land. Die Frauen, weiß gekleidet und Blumen in der Hand, wurden zu Symbolen des Protests und zeigten damit auch die Bedeutung  und die Stärke der Frauenbewegung. Am 29. August nahmen nach unabhängigen Berichten etwa 10.000 Frauen am Solidaritätsmarsch teil.

Mit diesem Brief wollen wir als Vertreterinnen von Menschenrechts- und Friedensorganisationen unsere Solidarität ausdrücken mit den Frauen in Weißrussland unsere Bewunderung für ihre Stärke, Mut und Prinzipientreue.

In Unterstützung der friedlichen Proteste und Forderungen der Zivilgesellschaft fordern wir ein sofortiges Ende der Gewalt. Wir fordern eine Beendigung der Verfolgungen und Verhaftungen friedlicher Demonstrant*innen und die Freilassung politischer Häftlinge.  Wir fordern sofort den Druck auf unabhängige Medien und Journalist*innen einzustellen, die Fälle von gewalttätigen Übergriffen, Folter auf Gefangene zu dokumentieren. Wir unterstützen auch die Forderungen nach Neuwahlen nach OSZE-Standards.

Wir betonen, dass Sicherheit und Stärke eines modernen Staates nicht von der Menge und Modernität von Waffen abhängt, sondern vom Schutz der Menschenrechte, der Freiheit der Bürger*innen, der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen und Männern an der Politik und der Garantie demokratischer Prinzipien im Staat.

Wir rufen alle OSZE-Staaten auf, die Zivilgesellschaft in Belarus zu unterstützen.

1.9.2020 Im Namen der AG mit Teilnehmerinnen aus Albanien, Armenien, Deutschland, Georgien, Italien, Kirgistan, Österreich, Schweiz und Ukraine

Heidi Meinzolt, Koordinatorin (heidi.meinzolt@wilpf.org)
im Vorstand der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit/IFFF

https://www.civicsolidarity.org/member/1451/working-group-women-and-gender-realities-osce-region