26. Juni 2011

Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion

IFFF-Erklärung zum 22. Juni 2011

Am 22. Juni 2011 jährt sich zum 70. Mal der deutsche Überfall auf die Sowjetunion und damit der Beginn des deutschen Krieges gegen die Sowjetunion. Für den militärischen Überfall – „Unternehmen Barbarossa“ – hatte das deutsche Reich nicht einmal einen Vorwand gesucht.

Am 23. August 1939, kurz vor dem Angriff auf Polen, schlossen Deutschland und Russland einen Nichtangriffspakt mit dem geheimen Zusatz, dass sich die beiden Länder Polen aufteilen könnten. Die konkreten Kriegsplanungen für den Krieg im Osten begannen bereits im Herbst 1940. Noch vor Kriegsbeginn gehörten zur Planung verbrecherische Befehle, die die von Hitler geforderte „unerhörte Härte“ im Osten gewährleisten sollte.

– Im „Kriegsgerichtsbarkeit-Erlass“ vom 13. Mai 1941 wurde bestimmt:  „Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht … gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen ist …“, d.h. die Zuständigkeit für „Straftaten feindlicher Zivilpersonen“ und deren Bestrafung wird ins Ermessen des vor Ort verantwortlichen Offiziers gestellt. Der konnte entscheiden, ob jemand als Partisan zu erschießen war. Die sowjetische Bevölkerung war damit der Willkür lokaler Befehlshaber schutzlos ausgeliefert.

– Der „Kommissarbefehl“ vom 6. Juni 1941 bestimmt, dass politische Kommissare der Roten Armee nicht als Soldaten gelten. „Sie sind, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen“ oder sollten im Kampf „nach durchgeführter Absonderung“ getötet werden.

Mit beiden Befehlen setzte die Wehrmachtsführung wesentliche Bestandteile des geltenden Kriegsrechts für den Krieg gegen die Sowjetunion außer Kraft.

Dieser Krieg war ohne jeden Zweifel als Vernichtungskrieg geplant und geführt; Ziel war, den „jüdischen Bolschewismus“ auszurotten und im Osten „Lebensraum für das deutsche Volk“ zu erobern, ein riesiges Kolonialreich bis zum Ural zu schaffen – also „Erobern und Vernichten“. Hitler selbst sprach immer wieder vom „Vernichtungskampf“; ein großer Teil der militärischen Führung folgte ihm in dieser Auffassung.

Unmittelbar nach der Besetzung begannen im Rücken der Front antijüdische Maßnahmen. Es sollte nicht nur der „jüdische Bolschewismus“ ausgerottet werden, sondern die Vernichtung des gesamten europäischen Judentums mit der Ermordung der sowjetischen Juden zu Ende gebracht werden. Die Hauptverantwortung dafür trugen die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD und die Verbände der höheren SS und Polizeiführer. Aber ohne die Zusammenarbeit mit der Wehrmacht hätte der Massenmord an der jüdischen Bevölkerung nicht durchgeführt werden können. Bereits am 29. und 30. September 1941 mordeten die Einsatzgruppen in Zusammen­arbeit mit der Wehrmacht in der Schlucht von Babij Jar nahe Kiew  33 771 Kiwer Juden. Drei Jahre später, am Ende der deutschen Besatzungsherrschaft, waren etwa 2 Millionen Juden der Sowjetunion umgebracht worden.

Das „Unternehmen Barbarossa“ war als weiterer „Blitzkrieg“ geplant – das deutsche Oberkommando des Heeres verzichtete sogar auf die Vorbereitung eines Winterkrieges. Aber der sehr langwierige und besonders verlustreiche Kampf brachte nicht die Eroberung Moskaus im Herbst 1941, sondern war kriegsentscheidend für die deutsche Kapitulation am 8. Mai 1945 in Berlin.

Für die Sowjetunion bedeutete der Krieg trotz des militärischen Sieges  und der Ausdehnung des eigenen Machtbereiches eine schwere Katastrophe: Mindestens 27 Millionen Sowjetbürger starben als Opfer in den dreieinhalb Jahren des brutalsten deutschen Krieges zwischen 1941 und 1945; durch die deutsche „Politik der verbrannten Erde“ beim Rückzug sind Zehntausende Städte und Dörfer zerstört worden.

Nicht die Verbrechen, die unvorstellbaren Gräuel und ungeheuren Opferzahlen im Osten prägten jahrzehntelang die „öffentliche“ Erinnerung an den Krieg, sondern die deutschen Verluste und Leiden, die Härten des Klimas („General Winter“), das Sterben der deutschen Soldaten in Stalingrad, der Schrecken des Kriegsendes  und vor allem die Vertreibung der 11 Millionen Deutschen aus den Ostgebieten.

Nach 1945 wurden in Deutschland wenige Kriegsverbrecher verurteilt – die meisten blie­ben unbehelligt und konnten ihre Karrieren fortsetzen, auch durch die baldige Neu­gründung einer deutschen Bundeswehr. Der „Kalte Krieg“ und der radikale Antikommunis­mus verhinderten eine Annäherung  und Versöhnung der verfeindeten Staaten.

Erst seit den Neunziger Jahren richtet sich unser Blick allmählich auch auf die Leidensgeschichte unserer Nachbarn und verdrängt das Ausmaß der Folgen nicht mehr total. Die Erkenntnis, dass in Europa und im Osten eine ganze Generation von Männern traumatisiert wurde, verhinderte allerdings nicht, dass deutsche Soldaten „im Namen des deutschen Volkes“ wieder in Kriege verwickelt sind.

Rückfragen bitte an: Brigitte Schuchard, bri.schuchard@web.de