WILPF/IFFF Forderungskatalog an die Kandidatinnen und Kandidaten für das Parlament der Europäischen Union/EU
Die Förderung von Frieden und Sicherheit in der EU
Frieden braucht mehr – Frieden muss organisiert werden
Mit der 2003 verabschiedeten Europäische Sicherheitsstrategie/ESS verfolgen die EU Staaten nunmehr eine Politik der erweiterten Sicherheit mit globaler Ausrichtung: Bedrohungen werden neu definiert, nationale bzw. geostrategische Interessen wieder in den Mittelpunkt gestellt und Antworten zunehmend genderblind und militarisiert gestaltet. Im Rahmen des ausgerufenen „Krieges gegen den Terrorismus“ kommen neue Strategien der Terrorbekämpfung zur Anwendung, die die universal geltenden Menschenrechte missachten.
Frieden braucht aber mehr und dies muss organisiert werden.
Jede Definition von Sicherheit muss den Menschen, Männer und Frauen, ins Zentrum rücken. Das von der UN entwickelte Konzept der „Menschlichen Sicherheit“ ist hier sehr erfolgversprechend. WILPF empfiehlt den EU Staaten dessen Umsetzung. Die europäische Sicherheitspolitik muss geschlechtssensibel auf Prävention, Diplomatie und eine Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft setzen.
WILPF/IFFF fordert von politischen Parteien und Politikerinnen und Politikern:
- in sämtlichen EU Krisenbewältigungsstrategien auf Konfliktprävention und zivile Maßnahmen zu setzen sowie auf EU Ebene und in allen EU Staaten einen Aktionsplan zur UN Resolution 1325 zu implementieren.
- die zunehmende Militarisierung zu stoppen und auf allen Ebenen Abrüstung zu unterstützen – von Kleinwaffen bis hin zu Massenvernichtungswaffen.
- das Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele in der EU Außen- und Handelspolitik zu forcieren.
- mit multinationalen Institutionen zusammen an Maßnahmen der Konfliktprävention zu arbeiten.
- Menschenrechte in der EU an erste Stelle zu setzen.
I. Das EU Krisenmanagement verspricht nicht mehr Sicherheit und Frieden
WILPF/IFFF fordert von politischen Parteien und Politikerinnen und Politikern:
- Bieten Sie der permanenten Gewaltspirale Einhalt (Interventionen, Übergriffe, Ausbeutung, Vergewaltigung, Frauenhandel) durch die ausdrückliche Förderung vertrauensbildender Maßnahmen und dem Aufbau und der Weiterentwicklung von Demokratie.
- Evaluieren Sie kritisch jede Einmischung in Konflikte – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf das Leben von Frauen und das Geschlechterverhältnis.
- Fördern Sie Friedenserziehung, die aktive Suche nach Kompromissen, Trainings für Mediation und Monitoring von Konflikten und der Erarbeitung alternativer Lösungen.
- Kümmern Sie sich darum, dass das europäische Netzwerk (Conflict Prevention Network/CPN) weiter existiert und verstärkten Einfluss bekommt.
- Intensivieren Sie Ihre Kontakte zur Zivilgesellschaft (insbesondere zu Frauenorganisationen und Frauengruppen) und beziehen Sie sie auf allen Entscheidungsebenen stets ein.
- Setzen Sie sich dafür ein, dass Instrumente geschaffen und Personal ausgebildet werden für zivile Krisenintervention, damit diese kurz-, mittel- und langfristig relevant eingebunden werden können.
- Beziehen Sie Kriterien und Vorgänge des Gender Mainstreamings ein und eine entsprechende Evaluierung von Kosten und Bedürfnissen. Beachten Sie, dass eine Budgetumschichtung für zivile Krisenintervention nie zu Ungunsten der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit erfolgen darf.
- Setzen Sie sich für eine Umsetzung der UN Resolution 1325 in allen Mitgliedsstaaten und in der EU als Schlüssel zum nachhaltigen Frieden ein. Alle Trainings für Missionen müssen ein Gender Awareness Training, die Ausbildung von Gender Advisern, die Einführung von Gender Focal Points, vergleichbar der VN enthalten.
- Treiben Sie die Bildung eines ständigen Pool von (Gender-) ExpertInnen zur De-eskalation und für zivile Beobachtermissionen an. Frauen müssen gleichberechtigt in alle Verhandlungsteams und Missionen.
- Befördern Sie die Erarbeitung eines Katalogs von Gender-Kriterien.
II. Die Militarisierung der EU und die Europäische Waffenindustrie garantieren uns nicht mehr Sicherheit
WILPF/IFFF fordert von politischen Parteien und Politikerinnen und Politikern:
- Nehmen Sie konkrete Abrüstungsvorschläge für die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf. Waffenkontrolle und ein Abbau an konventionellen Waffen und Massenvernichtungswaffen muss sofort ganz oben auf die Tagesordnung anstatt ständig neue Bedrohungsszenarien aufzubauen und Ängste zu schüren.
- Stoppen Sie den Waffenhandel und laufende Lieferverträge an undemokratische und in Krisen involvierte Länder. Für Waffenexporte darf es keine Kredite oder Garantien geben.
- Setzen Sie sich für eine rechtlich verbindliche Regelung des Code of Conduct für Waffenhandel und gleichzeitig für eine Umschichtung militärischer Ausgaben zu Gunsten ziviler Projekte ein.
- Setzen sie sich für eine drastische Reduzierung der Kleinwaffen – insbesondere auch zum Schutz von Frauen gegenüber Alltagsgewalt – ein und unterstützen Sie die Netzwerke, die dafür kämpfen.
- Ergreifen Sie politische Maßnahmen zur Ächtung und Verbannung von Waffen, die das Leben der Zivilbevölkerung in besonderem Maße gefährden, wie Minen, Streubomben und der Einsatz von angereicherten Urangeschossen.
- Setzen Sie sich dafür ein, dass die EU einseitig Budgets von der europäischen Rüstungsagentur zur Konfliktprävention umschichtet unter Berücksichtigung von Kriterien und Prozeduren des Gender Mainstreamings und einer sauberen Analyse von Kosten und Notwendigkeiten. Die europäische Rüstungsagentur sollte in diesem Sinne in eine Abrüstungsagentur umgewandelt werden.
- Denunzieren Sie mit uns die Lobby der Waffenindustrie in den Parlamenten und der Verwaltung und entziehen Sie ihr damit den Boden für ihre Geschäfte.
- Setzen Sie sich für atomwaffenfreie Zonen ein (z.B. in Nahost), aber auch für den Abbau der Atomwaffenstützpunkte und aller Massenvernichtungswaffen.
- Stoppen sie den Rüstungswettlauf im All.
- Verleihen Sie dem Europäischen Parlament durch ihren Einsatz eine Stimme in Abrüstungsfragen und die notwendigen Haushaltskompetenzen, damit die Umschichtung in Gang kommt.
- Setzen Sie sich für die Schließung sämtlicher fremder Militärstützpunkte in EU-Ländern ein.
III. Die EU und ihr Verhältnis zum Globalen Süden
WILPF/IFFF fordert von politischen Parteien und Politikerinnen und Politikern:
- Engagieren Sie sich in der EU als InitiatorInnen für die Umsetzung der Millenium Entwicklungsziele/MDG, damit eine globale Partnerschaft für Entwicklung verwirklicht wird, die insbesondere Frauen gleichberechtigte Chancen verleiht.
- Lehnen Sie das Europäische Partnerschaftsabkommen/EPA als eine Form institutioneller Korruption ebenso ab wie den unverhältnismäßigen Druck, den die EU auf die AKP-Staaten ausübt.
- Treten Sie für einen Schuldenerlass der AKP-Länder ein.
- Lassen Sie internationale Handelsabkommen kritisch evaluieren und bekämpfen Sie Korruption in Zusammenarbeit mit Institutionen wie Transparency International.
- Setzen Sie sich dafür ein, dass wirtschaftliche Entwicklung immer eine soziale Verpflichtung (Verteilungsgerechtigkeit und gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen) und den Respekt gegenüber Umwelt, Klima und Kultur enthält.
- Rufen Sie multinationale Konzerne dazu auf, Profite aus Investitionen in Entwicklungsländern auch in diese Länder wieder zu reinvestieren.
- Wenden Sie sich gegen die Privatisierung der Daseinsvorsorge, damit der freie Zugang zu Ressourcen und Basisdienstleistungen (Gas, Wasser, Transport, Elektrizität etc.) für alle – insbesondere auch für Frauen – in gleicher Weise gewährleistet ist.
- Nehmen Sie sich der wachsenden Armut von Frauen im Süden an (im Sinne von Ziel 3 der MDG) und stärken Sie die Geschlechtergerechtigkeit.
IV. Die EU in einer multipolaren Welt
WILPF/IFFF fordert von politischen Parteien und Politikerinnen und Politikern:
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Reduzieren Sie systematisch die Kooperation von EU und NATO; diese strategische Partnerschaft befördert mit ihrer militärischen Ausrichtung Spannungen und kurbelt den Rüstungswettlauf an.
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Werten Sie die Arbeit der OSZE und die Kooperation mit der EU wieder auf und unterstützen Sie OSZE Strukturen im Bereich von Konfliktprävention und ziviler Konfliktbearbeitung im Sinne einer umfassenden Friedensarbeit.
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Unterstützen und fördern Sie die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen (insbesondere von Frauenorganisation auch vor Ort) in Zusammenarbeit mit der OSZE.
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Unterstützen Sie die Umsetzungsmaßnahmen des Aktionsplan zur UN-Resolution 1325 der OSZE.
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Unterstützen Sie das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte/ODIHR vor allem in seiner Kooperation mit frauenspezifischen Projekten.
V. Menschenrechten in der EU mehr Geltung verschaffen!
WILPF/IFFF fordert von politischen Parteien und Politikerinnen und Politikern:
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Drängen Sie die Mitgliedstaaten dazu, die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, das UN-Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen, das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes sowie die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Sämtliche EU Regelungen sowie nationales Recht müssen mit diesen Konventionen im Einklang stehen.
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Unterstützen und fördern Sie Antirassismusnetzwerke bei ihrer Arbeit vor Ort politisch und finanziell.
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Unterstützen und fördern Sie die Anerkennung und Implementierung der Erklärung gegen Rassismus und des Aktionsprogramms von Durban sowie der Abschlusserklärung gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung der Durban Review Konferenz.
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Stellen Sie sicher, dass gemeinsame Standards und Verfahren in der EU-Gesetzgebung garantieren, dass die Rückführung irregulärer Drittstaatsangehöriger sicher und würdevoll und unter Beachtung ihrer Grundrechte stattfinden.
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Folgen Sie ihrer demokratischen und humanitären Verpflichtung und gewährleisten Sie, dass Asylsuchende nicht in solche Staaten zurück geschickt werden, die nicht in der Lage oder nicht willens sind Ihre Verpflichtungen aus den Dublin Regelungen und humanitärem Völkerrecht zu erfüllen.
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Setzen Sie sich für die Ergreifung effektiver Maßnahmen zur Integration von Genderaspekten in den Aufbau eines Gemeinsamen Europäischen Asyl-Systems (einschließlich Gender-Richtlinien) und innerhalb des EU-Asyl-Büros ein.
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Beobachten und beeinflussen Sie die Debatten zum Follow-Up des EU-Pakts zu Einwanderung und Asyl und den Post-Den Haag-Prozess in enger Zusammenarbeit mit Migratinnenorganisationen.
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Erkennen Sie an, dass die Gründe für Asyl auch Gefahren der sexuellen Gewalt, des Menschenhandels und der Zwangsprostitution umfassen müssen.
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Unterstützen Sie Möglichkeiten für Treffen von Migrantinnen auf nationaler und europäischer Ebene, damit sie ihre Stimmen in die EU-Debatten und Politiken zu Einwanderung und Integration einbringen können und unterstützen Sie deren Netzwerkarbeit auf EU-Ebene.
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Organisieren und unterstützen Sie Workshops zum Empowerment und zur Förderung der Vertretungs- und Leistungsfähigkeit durch und für Migrationsorganisationen von Frauen in allen EU-Staaten.
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Sammeln Sie Informationen zu Menschenrechtsproblemen und Berichte über die Menschenrechtslage; arbeiten Sie mit Verteidigern der Menschenrechte und anderen internationalen Akteuren vor Ort zusammen.
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Bekräftigen Sie, dass Terrorakte strafrechtliche Verbrechen sind und in öffentlichen Gerichtsverfahren nach völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Vorgaben verurteilt werden müssen.
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Stellen Sie sicher, dass die Mitgliedstaaten die Empfehlungen des Flava-Berichts zur behaupteten Nutzung europäischer Staaten durch die CIA für die Beförderung und das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen umsetzen.
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Stellen Sie sicher, dass Geheimgefängnisse in Ländern, in denen Folter angewendet wird, geschlossen werden.
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Stellen Sie sicher, dass die Ratifikation und Implementierung des Rom-Statutes zum Internationalen Strafgerichtshof Voraussetzung für eine EU-Mitgliedschaft ist.
Der Forderungskatalog als PDF