Liebe IFFF-Frauen und Freund*innen,
wäre mir an Sylvester prophezeit worden, es käme nun eine Zeit ohne Kreuzfahrten und Tourismus, die Flüge würden eingestellt, es gäbe eine generelle Ausgangssperre und alle Grenzen wären dicht, sogar Landesgrenzen zwischen den Bundesländern, alle Geschäfte geschlossen, alle Aktivitäten, auch das große Manöver Defender 2020 angeblich abgesagt, ich hätte gelacht ob der kühnen Vision.
Nun bleibt mir das Lachen im Hals stecken: Aus Angst vor der Infektion, dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems und letztendlich dem vorzeitigen Tod haben wir viele demokratischen Rechte freiwillig abgegeben. In den Medien und Reden, vor allem männlicher Politiker, wird Kriegsvokabular beschworen. Mit den Kriegsvergleichen befasst sich auch ein Artikel von WILPF Spanien sowie zwei Artikel der Feministin Cynthia Enloe. Dafür bleibt die Care-Last wieder einmal weitgehend an den Frauen hängen.
Als Sonderschullehrerin i. R. kümmert mich auch, dass die Kinder, deren Eltern ihnen nicht bei den Schulaufgaben helfen können (in Stichworten: bildungsarme Familien, Alleinerziehende, Migrationshintergrund usw.) weiter abgehängt werden. Die wirtschaftlichen Folgen für viele Haushalte und insbesondere Frauen sind noch nicht absehbar, dazu mehr in Nela Porobić Isaković's Artikel „Was hat COVID-19 uns über Neoliberalismus gelehrt?“. Weiterhin haben die internationalen WILPF-Mitarbeiter*innen aus dem Homeoffice diverse Artikel zu den Auswirkungen der Corona-Krise zusammengestellt.
Kriege finden leider weiter statt, nur wird weniger darüber berichtet. WILPF unterstützt den Aufruf von UN-Generalsekretär António Guterres zu einem „globalen Waffenstillstand“ angesichts der Corona-Pandemie und fordert weiterhin umfassende Abrüstung. Menschen, die in Kriegs- und Krisengebieten leben oder sich auf der Flucht befinden, sind der Pandemie völlig schutzlos ausgeliefert und haben nicht einmal Zugang zu elementarster Gesundheitsvorsorge (z.B. Wasser).
Neben vielen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, fordern wir die Bundesregierung auf, sich für eine schnellstmögliche Räumung der Camps auf Lesbos einzusetzen und dem Angebot der Kommunen folgend, weitaus mehr Menschen aufzunehmen, als aktuell angedacht. In einer Zeit, in der jede*r zuhause bleiben muss, gilt es die Menschen zu unterstützen, die kein Zuhause haben und weder vor noch zurück können. #LeaveNoOneBehind
Auch die deutsche Friedensbewegung fordert Geld für Gesundheit anstatt für Rüstung. Wir mussten zwar die geplanten Ostermärsche absagen, protestieren aber virtuell gegen die ungeheure Aufrüstung.
Eine Bestätigung der Behauptung diverser deutscher Medien, Defender 2020 sei endgültig abgesagt, konnte ich nirgends finden. Die US-Army spricht von „reduzierter Form“. Während Trump keine Europäer*innen in die USA einfliegen ließ, schickte er gleichzeitig seine Soldat*innen in den gefährlichen Erdteil, in dem sie sich trotz geschlossener Grenzen bewegen. Spargelstecher*innen? Okay, genehmigt! Defender 2020 Soldat*innen sind meiner Meinung nach auf keinen Fall systemrelevant oder wollen sie auf das kleine Virus schießen? In 1,50 m Abstand bitte! Die Seite „US-Army Europe“ postete zur Bestätigung der Behauptung: „Trotz Covid 19 bleibt die US-Armee kampfbereit“ (9.4.), Bilder von Soldat*innen mit Mundschutz, u.a. eine Friseurin, die einem Rekruten den Kopf rasiert. Und übrigens, die Spanische Grippe ist nach Meinung heutiger Wissenschaftler nicht in Spanien ausgebrochen, sondern in den USA (Quelle: Wikipedia) und dann durch Soldaten in Europa verbreitet worden.
Wir müssen darüber wachen, dass wir nach dem Ende der Pandemie alle Rechte zurückbekommen und uns global einsetzen für die Frauen, die Opfer dieser Krise sein werden und für den Frieden streiten.
Ich wünsche euch frohe Ostern!
Irmgard