You are currently viewing Laudatio für Preisträgerin Rasha Jarhum
Laudatorin Julia Trippo

Laudatio für Preisträgerin Rasha Jarhum

Gehalten von unserer ehemaligen Stellvertretenden Vorsitzenden und Mitglied Julia Trippo in Verden

Bereits zum dritten Mal dürfen wir, die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, im Rathaus Verden den „Rebellinnen gegen den Krieg“ Preis verleihen. Hier in Verden wurde Anita Augspurg, eine der Mitbegründerinnen der Liga geboren, in deren Andenken und Namen wir den Preis verleihen. In ihrem Sinne möchten wir Frauen ehren, die wie auch Anita selbst unangepasst und kämpferisch sind, und sie weiterhin auf ihrem Weg und in ihrer wichtigen Arbeit gegen Militarismus und Krieg und für Frauenrechte und Frieden bestärken.

Im Namen der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die diesen Abend und diese Preisverleihung möglich gemacht haben. Mein besonderer Dank gilt:

  • dem Bürgermeister von Verden, Lutz Brockmann,
  • der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Verden, Frau Dr. Kathrin Packham
  • dem Rat der Stadt Verden,
  • allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rathauses
  • allen Unterstützerinnen und Unterstützern, insbesondere den Spenderinnen und Spendern
  • ein besonderer Dank gilt meinen Mitstreiterinnen der Liga, die wirklich sehr hart dafür gearbeitet haben, dass wir heute hier so einen schönen Abend verbringen können

Wir bauen unsere Friedensarbeit auf dem Erreichten der vorherigen Generationen auf. Deshalb würdigen wir jene, die vor uns gekommen sind und uns den Weg geebnet haben.

Das Erbe Anita Augspurg ist ein Großes. Nicht ohne Grund wird ihr Andenken – 75 Jahre nach ihrem Tod – noch immer hochgehalten, zum Beispiel in dieser Stadt und mit diesem Preis.

Anita war eine Rebellin par definition: als Frontfrau bei den Kämpfen um Frauenrechte, als radikale Pazifistin, dezidierte Gegnerin des Nationalsozialismus und als Revolutionärin – früh positionierte sie sich zum Frauenwahlrecht oder rief zum Eheboykott auf. Mit über 70 machte sie gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann sogar noch den Führerschein! Sie schaffte sich dort Platz, wo für Frauen keiner vorgesehen war: beispielsweise als erste promovierte deutsche Juristin und auch in ihrem politischen Engagement. Sie erhob ihre Stimme und führte politische Diskurse an, sie vernetzte und publizierte, schaffte Aufmerksamkeit für die Belange der Frauen und positionierte Frauen als zentrale Akteurinnen in der Friedensbewegung. Mit zahlreichen Initiativen, Zeitschriften und Vereinen stritt Anita Augspurg in der Kaiserzeit für die Freiheit der Frauen und den Frieden aller.

Genau wie Anita Augspurg rebelliert auch Rasha Jarhum gegen den Krieg in ihrem Land als Friedens- und Frauenrechtsaktivistin. Der Mut, den sie dafür aufbringt, ist beeindruckend, denn im Jemen ist die politische Partizipation von Frauen sehr niedrig. Die patriarchalischen Strukturen erwarten von Frauen, dass sie die stereotype Geschlechterrolle als Hausfrau erfüllen, der öffentliche Raum wird stark von Männern eingenommen.

Für Rasha, die in ihrem Leben bereits drei Kriege gesehen hat, wurde es zu gefährlich zu bleiben. Wie auch Anita Augspurg musste sie ins Exil fliehen, verlor Familienmitglieder und Eigentum, wurde verfolgt und bedroht.

Rashas Arbeit jedoch ist wichtiger denn je: Sie ist Mitbegründerin des FrauenSolidaritätsNetzwerkes (Women Solidarity Network), ein Zusammenschluss von 250 jemenitischen Frauen und frauengeführten Organisationen, die sich für den Schutz von Frauen und Friedensschaffung im Jemen einsetzen. Auch ist sie die Gründerin und Direktorin der Initiative Peace Track.

Die Initiative setzt sich für die Lokalisierung von Friedensprozessen und die Gewährleistung von Inklusivität ein. Dabei wird gefordert, dass diejenigen, die direkt vom Krieg betroffen sind, am stärksten an den Friedensverhandlungen beteiligt sind. Im Jemen werden Frauenorganisationen auf Kommunalebene und Frauengruppen bei friedensfördernden Aktivitäten unterstützt. Auch hilft die Peace Track Initiative jemenitischen Menschenrechtlerinnen sicher in andere Nachbarländer zu emigrieren.

Ihre Aufklärungs- und Informationsarbeit führte Rasha im November 2018 sogar vor die Vereinten Nationen, wo sie im Sicherheitsrat über die Situation im Jemen sprach. Dort beleuchtete sie die Auswirkung anhaltender Gewalt und Militarisierung auf das Leben von Frauen im Jemen, und sprach sich für die Einbeziehung von Frauen, Jugendlicher und der Zivilgesellschaft in Friedensverhandlungen aus.

Wenngleich die Grausamkeit des Krieges im Jemen oft als schlimmste humanitäre Katastrophe unserer Zeit beschrieben wird, hält sich die Berichterstattung und mediale Aufmerksamkeit – zumindest in der westlichen Welt – in überschaubaren Grenzen.

Es ist erschreckend, wie wenig uns über die verheerende humanitäre Situation im Jemen bekannt ist. Und auch dort sind Frauen disproportional von dem Elend und Leid des Krieges betroffen. Die Bilder, die man dann zu Gesicht bekommt, sind gezeichnet von Gewalt, Schmerz und Verlust. Je mehr man erfährt, desto unmöglich erscheint ein Licht am Ende des Tunnels.

Auch Deutschland spielt eine Rolle in dem Krieg, der rund 5200 Kilometer von uns entfernt wütet. Noch immer verdient die deutsche Rüstungsindustrie sehr gut an den Exportgeschäften von Kriegswaffen und Rüstungsgüter in Länder, die sich an den Luftangriffen im Jemen beteiligen. Seit Jahresanfang liegt der Umsatz mit Waffen bei geschätzt einer Milliarde Euro, und das obwohl ein Exportstopp mit mehreren Ländern, u.a. Saudi-Arabien, ausgehandelt wurde. Für einen nachhaltigen Frieden muss unsere Regierung Verantwortung übernehmen und die Waffenexporte stoppen!

Es ist offensichtlich, dass ein friedliches und demokratisches Jemen, in dem die Rechte aller Menschen respektiert werden, derzeit in weiter Ferne liegt. Umso wichtiger ist es, Frauenrechtsaktivistinnen aus der jemenitischen Zivilgesellschaft zu unterstützen. Deshalb brauchen wir Menschen wie Rasha, die so unermüdlich für Frieden kämpfen. Wir hoffen, mit diesem Preis einen kleinen Beitrag zu leisten.

Denn Rasha trägt mit ihrer Arbeit dazu bei, Frauen eine Stimme zu geben und auf ihre wichtige Position in Friedensprozessen hinzuweisen und sie in verschiedenen Netzwerken zusammen zu bringen. Als langjährige Partnerin der WILPF auf internationaler Ebene hat Rasha sehr intensiv mit dem Büro in Genf zusammengearbeitet und wir sind sehr stolz, so eine starke Frau in unseren Reihen zu haben.

Und wo wir gerade über starke Frauen reden: Rasha Jarhum ist mit Unterstützung angereist, auch ihre Mutter ist heute persönlich anwesend. Hooria Mashour selbst ist ein starkes Vorbild für uns Frauen in der Friedensbewegung, denn sie ist eine leidenschaftliche Verfechterin der Frauenrechte. Sie diente fast ein Jahrzehnt im Frauennationalkomitee Jemen und wurde 2012 zur ersten Menschenrechtsministerin im Jemen ernannt. Rasha Jarhum sagt selbst, ihre Mutter ist der Grund, warum sie Aktivistin geworden ist.

Rasha Jarhum ist eine würdige Preisträgerin, und wir sind stolz darauf, dass sie hier ist. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Preis.

So here’s to strong women, may we know them, may we be them, may we raise them

von Julia Trippo

____

Die Laudatio wurde ursprünglich am 20. September auf der Rebellinnen gegen den Krieg – Anita Augspurg-Preisverleihung der IFFF zu Ehren von Rasha Jarhum vorgetragen.