Auf den Spuren von Anita Augspurg in Verden

WILPF-Mitglied Helga Merkelbach berichtet über ihren Besuch in Verden, der sie zu bedeutenden Orten aus dem Leben von Anita Augspurg brachte.

Ein Beitrag von Helga Merkelbach

Frauen von „Frauenorte Niedersachsen“ in Braunschweig, Fischerhude und Verden, sowie vom Anita-Augspurg-Verein haben sich vorgenommen, vom Wirken von Frauen in Niedersachsen zu erfahren und einander kennenzulernen. Eine Gästeführerin stellte am 13. März 2022 Anita Augspurg vor – ich wurde als Mitglied von WILPF herzlich in der Runde willkommen geheißen. Der Anita-Augspurg-Verein wurde im Sommer 2021 gegründet; die Vorsitzende Dagmar Krüger ist zugleich WILPF-Mitglied.

Anita Augspurg war begeisterte Reiterin, aber lehnte den vorgeschriebenen Damensattel ab. Eine von uns probierte im Pferdemuseum aus, wie unbequem sich der Sitz anfühlt und bewunderte alle Reiterinnen der Vergangenheit, die darauf die Balance halten und reiten konnten.

Reitkostüm von Anita Augspurg im Pferdemuseum

Schockiert blickten wir auf Bilder, die demonstrieren, wie durch das Korsett Wirbelsäule und Wirbel verformt und die Gesundheit von Frauen dauerhaft geschädigt wurde.

An der Kirche im Zentrum sahen wir die inzwischen zugemauerte Schandnische. Dort mussten bis ins 19. Jh. Frauen stehen, die außerehelich schwanger geworden waren, als öffentliche Schande von Kirchgänger*innen verächtlich beäugt und beschimpft. Anita Augspurg lehnte formale Ehe ab, weil damit Frauen (noch bis in die 1970er Jahre) ihre Mündigkeit, Selbständigkeit und wirtschaftliche Eigenständigkeit abgesprochen wurde.

Schandnische an der St. Johanniskirche

Von ihrem Geburtshaus aus hatte Anita Augspurg einen Blick auf den Ulanenplatz, wo Aufmärsche des Militärs stattfanden, die der Waffengewalt und Krieg als Lösung huldigten. Dieser Anblick und die Erfahrung von vier Kriegen in ihrem Leben (sie starb vor dem Ende des 2. Weltkrieges, 1943) ließen sie zur Pazifistin und Mitbegründerin von WILPF werden.

Unsere Führung endete am Anita-Augspurg-Platz, der zuvor Von-Einem-Platz hieß und damit Karl von Einem würdigte. Von 1873 bis 1876 war er (Ulanen-) Regimentsadjutant in Verden und nahm am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teil. Als Kriegsminister ab 1903 sorgte er dafür, dass der Pazifist Karl Liebknecht Festungshaft erhielt und äußerte sich mit Abscheu gegen Homosexuelle. Im 1. Weltkrieg stieg er zum Generaloberst auf.

Wohnhaus der Familie Augspurg

Als zum ersten Mal der Rebellinnen-Preis in Verden verliehen wurde, schwärzten Unbekannte das neue Straßenschild „Anita-Augspurg-Platz“ ein. Wir waren uns einig, dass Verden stolz auf die Friedensaktivistin Anita Augspurg sein kann und das mit mehr Hinweisen und Ehrungen im Stadtbild ausdrücken sollte.

In vielen Gesprächen unterwegs, bei der Einladung der Gleichstellungsbeauftragten im Rathaus und schließlich bei Kaffee und Kuchen lernten wir einander kennen und vernetzten uns für künftige Aktionen miteinander.