WILPF-Mitglied Jennifer Menninger nahm an einer weiteren Sitzung zu autonomen Waffen in Genf teil.
Ein Bericht von Jennifer Menninger
Wie im März konzentrierten sich die Staaten auf Abschnitte des Rolling Texts, der von dem Vorsitzendem Robert in den Bosch aus den Niederlanden entworfen wurde. Der Fokus lag dabei insbesondere auf der Charakterisierung und Regulierung von autonomen Waffensystemen (AWS). Ziel des Textes ist es, eine Reihe von Elementen für ein Instrument zur Regulierung dieser neuen Waffentechnologien zu schaffen.
Rolling Text: Wichtige Entwicklungen und Diskussionen
Immer mehr Delegationen fordern, dass der Einsatz von AWS unter „context-appropriate human judgement and control“ stehen muss. Für die Zivilgesellschaft stellt die Verwendung des Begriffs im Rolling Text einen bedeutenden Fortschritt in der Debatte dar, da er die grundlegende Bedeutung des Menschen bei der Entwicklung und Nutzung von AWS betont. Mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, veröffentlichten vor der Sitzung ein neues Arbeitspapier zu diesem Thema. Darin vertreten sie die Auffassung, dass die Implementierung von „context-appropriate human judgement and control“ notwendig ist, um die Einhaltung des internationalen Rechts, insbesondere des humanitären Völkerrechts (IHL), während der Entwicklung und Nutzung von AWS zu gewährleisten.
In der Sitzung hatten Staaten auch weniger Vorbehalte als üblich gegen die Berücksichtigung von Bias bei der Entwicklung, dem Testen und dem Einsatz von AWS. Differenzen existieren weiterhin bei der genaueren Unterscheidung zwischen „data bias“ und „automation bias“. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) schlug daher vor, den Unterschied der beiden Formen im Rolling Text auszuformulieren, um Missverständnisse zu vermeiden.

Kontrovers diskutiert wurde die Bedeutung von „ethical considerations“ beim Einsatz von AWS. Durch den Begriff soll gewährleistet werden, dass beim Einsatz dieser Waffentechnologien die Auswirkungen auf Zivilist:innen und möglicher Kollateralschaden sorgfältig abgewogen werden. Unter anderem sprachen sich die USA, China, Russland, Israel, Japan und Singapur für die Streichung des Begriffs „ethical considerations“ im Text aus. Im Gegensatz dazu unterstützten Staaten wie Kolumbien, Brasilien, Österreich, Irland, Norwegen, Peru und Panama den Begriff und betrachten ihn als wichtigen Zusatz zu den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen.
Am vierten Sitzungstag wurde der bisher konstruktive Austausch unterbrochen. Mehrere Delegationen kritisierten im Rolling Text die Streichung des Begriffs „identify“ aus der Aufzählung der kritischen Funktionen von AWS. Andere Delegationen hielten die beiden Begriffe „select and engage“ für ausreichend. Die Wortbeiträge zeigten insgesamt, dass Staaten dem Begriff „identify“ unterschiedliche Bedeutungen zuschrieben. Für einige stellte der Begriff den Prozess der Entwicklung von Zielprofilen dar, während andere ihn als das Erkennen von Personen oder Objekten in der operativen Umgebung definierten, die einem Zielprofil entsprechen. Diese unterschiedlichen Auffassungen führten zu Bedenken, dass die Einbeziehung des Begriffs die Anwendung der Elemente, die die Gruppe entwirft, erheblich einschränken könnte. Das IKRK versuchte am Freitagmorgen einen Kompromiss mit einer Definition von „identify“ zu erreichen. Die meisten Delegationen konnten sich dem Vorschlag anschließen und wollen daran weiterarbeiten.
Ein weiterer Aspekt der Sitzung war die anhaltende Debatte um den Begriff „lethality“. Einige Delegationen, darunter Russland, China und die USA, bestehen darauf, dass das Wort in der Phrase „lethal autonomous weapon systems“ beibehalten wird. Viele andere Delegationen argumentieren jedoch, dass das Wort „lethal“ aus mehreren Gründen nicht notwendig ist. Dazu gehört unter anderem die Tatsache, dass das bestehende IHL keine Unterscheidung zwischen Waffen basierend auf ihrer Tödlichkeit trifft.

Joint Statement: Bereit für Verhandlungen
Das Highlight der Woche war ein Statement von Brasilien im Namen von 42 Staaten, darunter auch Deutschland, am letzten Sitzungstag. Darin bekräftigten sie, dass der Rolling Text eine ausreichende Grundlage für die Erfüllung des Mandats der GGE darstellt und dass sie bereit sind, offizielle Verhandlungen zu beginnen. Die Erklärung wurde von 39 Vertragsparteien der CCW sowie den drei Beobachterstaaten Kiribati, Samoa und Thailand unterstützt. Es ist auch dem Engagement der Zivilgesellschaft zu verdanken, dass sich so viele Staaten dem Statement angeschlossen haben. Vertreter:innen der Zivilgesellschaft führten vor Ort unzählige Gespräche mit den Delegationen und setzte sich mit eigenen Statements für eine stärkere Berücksichtigung von ethischen und menschenrechtlichen Bedenken bei der Entwicklung, dem Testen und dem Einsatz von AWS ein.
Ausblick
Der Vorsitzende Robert in den Bosch beabsichtigt, in der nächsten Sitzung im März 2026 eine überarbeitete Version des Rolling Text zu diskutieren. Bis dahin werden informelle Gespräche mit den Delegierten geführt, um die vorhandenen Differenzen so gut wie möglich zu überwinden.
Die Ereignisse in Genf unterstreichen die dringende Notwendigkeit, eine klare sowie verbindliche Regulierung für AWS zu schaffen. Bereits seit über einem Jahrzehnt wird in der GGE über AWS diskutiert, jedoch wurden bisher keine Verhandlungen begonnen. In dieser Zeit hat die Integration von Technologieunternehmen in die Rüstungsindustrie unaufhaltsam zugenommen.
Die Unternehmen, die KI-Technologien entwickeln, profitieren nicht nur von den Verkäufen ihrer Produkte, sondern auch von den Konflikten selbst. Militärische Einsätze liefern wertvolle Daten zur Optimierung ihrer KI-Systeme, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden. Das Projekt AI War Cloud der Forscherin Sarah Ciston zeigt eindrücklich, inwieweit diese beiden Bereiche bereits eng miteinander verwoben sind. Infolgedessen können militärische Innovationen in den zivilen Sektor übertragen werden, ohne dass angemessene ethische Überlegungen angestellt werden.
Angesichts dieser Herausforderungen ist es entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft gemeinsam daran arbeitet, neues internationales Recht zu autonomen Waffen zu entwickeln. Die Zeit für Verhandlungen ist jetzt.
Weitere Informationen:
Reaching Critical Will, WILPF, CCW Report
Kontakt:
Jennifer Menninger
menninger@wilpf.de
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